Vom Paradies

Ein junges Mädchen schaute aus dem Fenster. Es war regnerisch und trüb, es war bedrückend. Und gerade so fühlte sie sich. Sie war traurig, tief traurig, seit Tagen schon. Sie sehnte sich nach Sonne und Wärme, äußere und innere Wärme, an Blumen und Vögel, und ihr kam das Paradies in den Sinn, aus dem die Menschen vertrieben worden waren und vor dessen Tor die Engel mit den Schwertern stehen.

Und sie rief zum Erzengel Michael und sprach: „Lass mich doch für kurze Zeit hinein in das Paradies. Ich möchte wenigstens für kurze Zeit einmal wieder glücklich sein!“

Und der Engel hörte sie, und er versprach ihr zu helfen. Er führte sie am nächsten Tag zu einem Hügel, und auf dem Weg dorthin traf sie einen jungen Mann, kaum älter als sie, beide fanden Gefallen aneinander, sie fassten sich an der Hand, und der Erzengel Michael führte sie hinauf auf den Hügel. Dort setzten sich die beiden auf eine Bank mit einem wunderschönen Blick ins Tal. Die duftenden Blüten der Bäume, die Vögel in ihrer Ausgelassenheit und die tausend Blumen in den Wiesen um sie herum erweckten tiefe Freude und Zufriedenheit. Die Sonne erwärmte sie und ihre Herzen, und sie umarmten und küssten sich und sie träumten von einer gemeinsamen glücklichen Zukunft.

Und der Engel sprach leise zu ihnen: „Das ist ein letztes Stück des Paradieses, ein Teil, der euch Menschen geblieben ist. Genießt es und seid glücklich. Nehmt dieses Stück des Paradieses auf in eure Herzen und vergesst es nie, ihr werdet es brauchen für die schweren Tage, die kommen werden, für euren gemeinsamen Alltag, der viele tausend Tage dauern wird. Wenn ihr dann dieses kleine Stück vom Paradies nicht in euren Herzen habt, woher sollen dann Freude und Hoffnung und Mut kommen?“

Und die beiden nahmen das Stück Paradies in sich auf, das ihnen der Engel vor Augen geführt hatte und nahmen es mit in ihr Leben.

Der Engel aber steht wieder mit dem Schwert vor dem Paradies, und er öffnet es nur denen, die bereit sind, die Liebe zu suchen um sie zu bewahren.