lifedays-seite

moment in time

  Literatur



 







Geschichten
Aus dem Märchenbuch

der Wahrheit

Fritz Mauthner
_______________________



Der stille Baumeister


Er war ein kühner Baumeister und wollte ein weites und reiches Gebäude errichten aus allen Völkern der Erde. Er zeichnete seine Pläne. Als er aber zur Ausführung schreiten wollte, erfuhr er, daß es keinen Mörtel gebe, um Völker zu binden.

Hierauf zeichnete er neue Pläne, kleiner als die ersten, aber immer noch recht groß. Einen Kuppelbau seines eigenen Volkes wollte er schaffen. Da erfuhr er, daß die Leute keine Bausteine sein wollten. Nur wenn man sie hauen ließ, dann wollten sie Bausteine sein. Der Baumeister aber hatte seinen Plan in Liebe auszuführen gedacht; da ließ er sein Volk.

Nun zeichnete er einen ganz kleinen Plan, ein Häuschen für sich und die Seinen. Mörtel und Steine lagen schon bereit. Da erfuhr er von einem Gesetze, wonach ein Haus nur bauen dürfte, wer eine Scholle besaß, es darauf zu stellen. Der Baumeister hatte keine Scholle Erde zu eigen, und traurig ließ er Stein und Mörtel verwittern.

Um nun doch etwas zu tun, erklärte er den Leuten seine alten Pläne; doch niemand verstand ihn, nicht die Welt, nicht sein Volk, nicht die Seinen. Niemand.

Da ging der Ärmste aus seinem Hause hinaus, aus seinem Volke und aus der Welt und wurde ein stiller Baumeister. Er sprach nur noch mit sich selbst, nannte sich einen Baudichter und baute fortan große und kleine Gebäude ohne Mörtel, ohne Steine und ohne eine Scholle Erde, sie darauf zu stellen.

******


Das glückliche Lächeln

Ein Menschenkind wurde geboren. Mit einem leisen Seufzer kam es zur Welt. Um seine Wiege aber standen die Gevattern und lächelten glücklich.

Siebenzig Jahre lebte das Menschenkind in schwerem Erdendienst. Dann starb es nach langem Todeskampf mit einem letzten Seufzer. Um sein Sterbebett standen die Vettern und verbargen nur schlecht ihr Lächeln.

Oft hatte das Menschenkind so ein bißchen zu lachen vermocht, weißt du, nur so durch Ansteckung, dumm vor sich hin, wie man gähnt, wie Pferde wiehern.

Nur dreimal in seinem Leben konnte das Menschenkind glücklich lächeln.

Einmal mit den Gevattern an der Wiege seines Enkels.

Einmal ganz allein, als es noch jung war, im Träume, da hat es aber nicht gewußt warum, und hat es auch nie erfahren.


oben




   lifedays-seite - moment in time - literatur