Geschichten
Aus dem Märchenbuch
der Wahrheit
Fritz Mauthner
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Der
stille Baumeister
Er
war ein kühner Baumeister und wollte ein weites und reiches Gebäude
errichten aus allen Völkern der Erde. Er zeichnete seine Pläne. Als er
aber zur Ausführung schreiten wollte, erfuhr er, daß es keinen Mörtel
gebe, um Völker zu binden.
Hierauf
zeichnete er neue Pläne, kleiner als die ersten, aber immer noch recht
groß. Einen Kuppelbau seines eigenen Volkes wollte er schaffen. Da
erfuhr er, daß die Leute keine Bausteine sein wollten. Nur wenn man sie
hauen ließ, dann wollten sie Bausteine sein. Der Baumeister aber hatte
seinen Plan in Liebe auszuführen gedacht; da ließ er sein Volk.
Nun
zeichnete er einen ganz kleinen Plan, ein Häuschen für sich und die
Seinen. Mörtel und Steine lagen schon bereit. Da erfuhr er von einem
Gesetze, wonach ein Haus nur bauen dürfte, wer eine Scholle besaß, es
darauf zu stellen. Der Baumeister hatte keine Scholle Erde zu eigen,
und traurig ließ er Stein und Mörtel verwittern.
Um
nun doch etwas zu tun, erklärte er den Leuten seine alten Pläne; doch
niemand verstand ihn, nicht die Welt, nicht sein Volk, nicht die
Seinen. Niemand.
Da
ging der Ärmste aus seinem Hause hinaus, aus seinem Volke und aus der
Welt und wurde ein stiller Baumeister. Er sprach nur noch mit sich
selbst, nannte sich einen Baudichter und baute fortan große und kleine
Gebäude ohne Mörtel, ohne Steine und ohne eine Scholle Erde, sie darauf
zu stellen.
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Das
glückliche Lächeln
Ein
Menschenkind wurde geboren. Mit einem leisen Seufzer kam es zur Welt.
Um seine Wiege aber standen die Gevattern und lächelten glücklich.
Siebenzig
Jahre lebte das Menschenkind in schwerem Erdendienst. Dann starb es
nach langem Todeskampf mit einem letzten Seufzer. Um sein Sterbebett
standen die Vettern und verbargen nur schlecht ihr Lächeln.
Oft
hatte das Menschenkind so ein bißchen zu lachen vermocht, weißt du, nur
so durch Ansteckung, dumm vor sich hin, wie man gähnt, wie Pferde
wiehern.
Nur
dreimal in seinem Leben konnte das Menschenkind glücklich lächeln.
Einmal
mit den Gevattern an der Wiege seines Enkels.
Einmal
ganz allein, als es noch jung war, im Träume, da hat es aber nicht
gewußt warum, und hat es auch nie erfahren.
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