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Literatur


04.3


Adolf Schwayer

Weihnachtserzählungen




Wie Herr Schoißengeyer zu
einem Christkindl kam - 3



Er schlich unbemerkt zu der Tür des Zimmers, wo seit alterszeiten her der Christbaum für die kleinen Schoißengeyer aufgestellt wurde. Und wie einstens der Knabe sostand nun der alte Mann und Vater an dieser geheimnisvollen Tür – und lauschte. Er hatte Eduards Stimme gehört und gleich darauf Thildens helles Lachen. Jetzt aber rief sie ängstlich aus:

»Ach, Eduard! Ich kann dir gar nit sagen, wie mir ist! Was wird der Vater sagen! Ach Gott, wenn nur das schon überstanden wär!«

»Ja und Amen wird er sagen, Thildchen! Mein liebes liebes Thildchen!«

Da hielts den Alten nimmer: vollbepackt, wie er war, stürmte er in das halbdunkle Zimmer, ließ dort die Schachteln und »Packln« polternd fallen, eilte auf die verblüfften jungen Leute zu und schloß sie in einer Umarmung an seine Brust.

»Kinder! Kinder!« Mehr brachte er nicht heraus. Dafür aber küßte er zum erstenmal in seinem Leben ganz aus eigenem Antriebe seine zitternde Thilde und auch den wahrhaftig mehr als erstaunt dreinblickenden Neffen.

»Ja und Amen! Meinen Segen, Kinder!« Und dann an der offenen Tür: »Mutter! Frau, Frau! Schnell kimm! 's Christkindl is da! A Verlobung hat's bracht! A Verlobung!«

Die Mutter kam jetzt sehr erhitzt herbeigerannt.

»Still sein jetzt!« befahl Schoißengeyer fröhlich. »Erst den Baum anzünden! Dann red i!«

Man gehorchte. Aber merkwürdig kleinlaut machten sich die drei an die Arbeit. Und allen dreien zitterten die Hände. »Ja 's Glück! 's Glück!« dachte Herr Schoißengeyer und stellte sich mit sehr viel Selbstbewußtsein neben den im vollsten Lichterglanze prangenden Baum. Jetzt aber kam das Zittern an ihn. Ja das Reden! Es ist halt doch immer eine eigene Sache das! Er wischte sich die Stirn ab, räusperte sich und begann endlich:

»Alsdann, daß i's kurz mach: ihr seid's verlobt ...« Er stockte: Wie die Drei da wieder lächelten! Hm! Wenn die Angst lachen könnt, just so müßt sie lachen, dachte er. Dann aber rief er beleidigt:

»Na! I red nix mehr! Oes lachts mi ja aus alle miteinander!«

»Aber nein, Vater!« sagte jetzt Thilde mutig. »Wir lachn ja nur, weil – weil ... Weißt Vater, weil du uns zwei verloben willst ...«

»Uns zwei! Uns zwei! Was sagst denn das so? Und is das was zum Lachen?«

»Aber ja! Natürlich, Vater! Wir zwei, wir sind ja nämlich schon längst – verheiratet ...«

»Wa–as ...?«

»Ja, Vater! verzeih – das ist nämlich mein Eduard – der Eduard Flemming, der Maler ...«

Herr Schoißengeyer sah Thilde sehr bedenklich an und machte dann, gegen die Mutter gewendet, eine Handbewegung nach der Stirn, als wollt er sagen: »Mir scheint!«

Frau Marie aber trat zu ihm hin und sagte sehr lieb und sehr befangen: »Ja, Toni – es ist so, wie sie sagt.«

»Macht's kan dummen Spaß mit mir! Hört's! Der Hannes, mein Bruder hat doch gschriebn!«

»War einverstanden!«

»Und der Rudolf, in Eduard sein Vater?«

»War einverstanden!«

Jetzt kam der kritische Augenblick: Herr Schoißengeyer wollte wild werden. Da aber sank Thilde wie bei ihrer Heimkehr zu seinen Füßen und blickte stumm zu ihm auf. Und stumm flehten ihre großen dunklen Augen. Und Eduard – tat das gleiche. Und die Mutter – tat das gleiche.

Da lachte Herr Schoißengeyer laut auf. Das klang zunächst geradezu fürchterlich: zornig, wild wütend und so recht eigentlich wie ein lautes heulendes Weinen. Dann aber wurde er milder, und endlich rannen dem guten alten Selbstling wirklich die Tränen über die erst zornesbleichen, dann schamrot brennenden Wangen.

»Verzeih uns halt allen,« flehte Frau Marie gerührt. »Wir stehn nit früher auf.«

»In Gotts Nam. I kann ja nit anders!« – Nun wurde er in eine Umarmung eingeschlossen von den glücklichen Dreien.

Thilde war die erste, die sich loslöste. In frauenhaft freudiger Erregung und liebevoller Eile huschte sie ins Nebenzimmer. In frauenhafter Ruhe und leuchtender Glückseligkeit kehrte sie in wenigen Augenblicken wieder. In ihren Armen aber trug sie ein süßes Etwas, eingehüllt in eine duftige Wolke von Spitzen und Schleiern. Mit einem liebwarmen Blick nach dem Vater sagte sie voll holder Scheu und voll schlichten Stolzes:

»Vater, da schau her! Da bring ich dir – 's Christkinderl! Wir habens erst heut kommen lassen.«

Herr Schoißengeyer beugte sich über die Wolke von Spitzen und Schleiern – und sah ein rosiges Kinderangesichtchen.

»Um Gottes willen, was ist denn das?«

»Das ist unser Kinderl, Vater! Toni heißt's wie du – ist aber ein Mäderl.«

»Was! A Kind habt's aa schon und i waß nix davon?«

»Ja, weißt Vater – schau, was hätt's denn auch gnützt? Und dann – sag's du, Eduard!«

»Ja, Vater, siehst, das war so. Grad damals hab ich mir dacht: so geht's nimmer weiter. Da muß was gschehn! Und da ist mir der ganze tolle Plan eingefallen, dich so im gutem, weißt ...«

»Herumzkriagn! Nit wahr? Den altn Dickschädl den! Wirst dir denkt habn.«

»Denken kann man sich so etwas schon ... und du – du darfst's auch sagen!«

»Hm! Du! Na wart nur! Hahaha! Das wird angfeucht! So was! Hohohaa! Aber schen war das von enk alle nit, daß ...«

»Ja mein Gott, Vater, schau! Wie anders wärn wir denn zum Ziel kommen auf gute Weis? Thilde tät sich noch immer die Augen ausweinen – und jetzt ist sie glücklich! Und wir alle – du auch! Leugne es nur nicht!«

»In Gotts Nam ja! Ich auch!«

An diesem Abend wurde wieder ausnahmsweise Rüdesheimer »angestochen« – aber nicht bloß eine Flasche. Und schließlich war es nicht der Rüdesheimer allein, der »angestochen« war.


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