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Literatur


04.2


Walter Serner

Zum blauen Affen
dreiunddreißig hahnebüchene Geschichen

Quellenangabe

MANSARDESKES
 

Peter pflegte alltäglich gegen drei Uhr nachmittags sich darüber zu ärgern, dass er erwacht war.

Diesmal dachte er, es sei doch wirklich schamlos, dass man nach acht Uhr morgens dem Tag nicht mehr entgehen könne.

Dann spuckte er elfmal. Da er die Decke der Mansarde nicht treffen konnte, beschloss er, so lange emporzuspucken, bis er den Speichel, wenigstens einmal, so kerzengerade hochgeschleudert hätte, dass er in den Mund zurückfiele.

Endlich begann seine Zunge dick zu werden und matt. Er besass noch so viel Kraft, den Polster umzuwenden und sein Haupt für den Schlaf trocken zu legen.

Abends träumte er, dass jemand, vielleicht eine Kreuzspinne, mit einer Kanone auf sein linkes Ohr schösse.

Fifis Füsschen verschwand in einem Hemd, das auf der innern Türschwelle einen graugelblichen Haufen bildete. Sie sagte deshalb sehr laut: „So ein Schwein!“

In Peters Hirn  langte mit breitem Knall eine grosse Kugel an und bewirkte, dass sein Kopf aus dem Bett rutschte und so lange durch die Diele wollte, bis der hinterherdrängende Körper ihn auf die Seite legte.

Fifi befreite seine Füsse, die noch in der Decke hingen, so gewissenhaft, dass die Fersen heftig niederklopften.

Während Peter infolgedessen bemerkte, dass er abermals erwacht war, liess Fifi mit ihrem Posterieur auf ein Brett sich fliegen, das über zwei Kisten genagelt war, um einen Schreibtisch zu verwirklichen. Dabei pfiff sie: „Nanette, ma belle coquette . . .“

Peter kletterte auf seine Beine und äusserte, indem er leise erfreut auf das Bett sich ringelte: „Beethoven und die Klamauke.“

Fifi fand diese Mitteilung im höchsten Grade belanglos und fragte: „Hast du etwas Geld?“
Peter war bezüglich dieses Gebrauchsgegenstandes der Meinung, dass es genüge, wenn andere ihn besässen, und sagte: „Die Luft tönt wie ein blaues Lied.“

Fifi legte keinen Wert auf diese Feststellung und verlangte, ernährt zu werden: „Wir haben doch erst vorgestern wieder zusammen geschlafen.“

Peters Antlitz rötete sich vor Vergnügen: „Sie übersehen, dass Sie mich lieben.“

Fifi begriff augenblicks „Du Schuft Sie, du wirst sehen, Sie sterben noch am Galgen“ Sie stand zitternd vor dem Bett.

Da Peter, den Hinterkopf zart in der Hand, sie ruhig betrachtete, hub sie zu weinen an, schnell und singend. Zwischendurch fand sie Zeit, zu sagen: „Du liebst mich nicht.“

„O, ich gebe mir alle Mühe. Aber du bist heute zu gelb.“
 
„Ja . . . ich habe noch zwanzig Mark, und Herr von Potthammer kommt erst in zwei Wochen von Mainz zurück.“ Sie heulte wie getreten.

Peter befand sich plötzlich in seiner Hose und seinem nicht weniger unveräusserlichen Sakko, steckte diesen mangels Knöpfen mit einer des öfteren bereits geradegebogenen Sicherheitsnadel zu, nachdem er eine Drahtnadel, die Fifi ihm aus ihrem Haar reichte, abgelehnt hatte, und schlang ein dunkles Tuch um den nackten Hals.

Fifi bekam durch diese Prozedur Mütterliches und fuhr ihm mit ihrem Taschentuch, das die Initialien R. W. aufwies, säubernd um die Schulter. Dabei sagte sie sehr unmotiviert dreimal „O!“ und strahlte mit den Hüften.

Peter stiess jäh auf seinen unsäglichen Filz, der irgendwo am Boden still im Staube ruhte, und sprang bedächtig auf die finstere Treppe.

Fifi sperrte die Mansarde rasch ab, steckte hastig den Schlüssel ein und rief begehrlich: „So warte doch nur, Schuft!“




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