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04.2
Walter Serner
Zum
blauen Affen
dreiunddreißig hahnebüchene Geschichen
Quellenangabe
WIE
KLARA DIE GEDULD RISS
Klara
wusste, welch grossen
Wert Clerc auf die von ihm veranstalteten Impressionen legte. Deshalb
hatte sie
ihm Suzy, ihre Favoritin, so lange aus dem Weg geschoben, bis er, allzu
lüstern
geworden, Suzy dadurch sich herbeiführte, dass er im richtigen
Augenblick Wein
wollte und noch etwas.
Jenen
kaufte Klara, ein
ahnungsloser Engel, dieses versagte sie strikt: „Ich will nicht mehr,
hörst du?
Ich habe keine Lust, noch länger deine dupe zu spielen. Gut, du kannst
nicht
treu sein. Bleiben wir gute Kameraden, willst du?“
Clerc
wollte und schlug ihr
deshalb vor, nicht seine, sondern ihre Wohnung zur Befeuchtung der
neuen
Kameradschaft zu benutzen.
Klara,
welche in der zu geräuschvollerem
unbrauchbaren Lokalwahl ihre Rache unterwegs glaubte, wäre beim
Bespringen der
Tram vor Freude fast ihrer Flasche um den Hals gefallen.
Glücklicherweise hatte
ihr Clerc im letzten Moment, Halt liefernd, die Faust ins Gesäss
geschoben.
Eingetroffen
soff man,
dämpfte auf Klaras diesbezügliches Gestöhn hin die Vokale und beging,
schier
festlich, Brüderlichkeiten von derart stattlicher Intimität, dass
Clerc, der
sein Arrangement bereits als gescheitert registrierte und nicht mehr
nach der
Treppe horchte, es unternahm, zu arrivieren.
Doch
siehe da: Klara sprang
hohnlachend empor, grinste schwelgerisch und spritzte: „Nein, mein
Freundchen,
du irrst. Diesmal werde ich nicht mehr schwach. Das ist aus. Ein für
allemal!“
Clerc
erboste sich doppelt:
wo zum Teufel stak Suzy, der Frau Achselst auf sein Geheiss hin doch
gesagt
haben musste, dass Klara sie heute abend bei sich erwarte?
Suzy
stak in der Klemme.
Und zwar unten im Hausflur. Die Klemme war ein Herr, der sie, dank dem
Treppendunkel, auszuüben sich bemühte.
Den
endlichen Erfolg
verhinderte das Krachen der Tür, die Klara, halb angetrunken bereits,
hinter
sich zu gewettert hatte.
Bald
darauf war Clerc deshalb in der angenehmen Lage, „Herein“ rufen zu
können
und Suzys erregtes Händchen, erregter noch, zu drücken.
„Wo
ist denn Klara?“
hauchte Suzy, krampfhaft den nächsten Spiegel zu erreichen trachtend.
Der
Antwort enthob den
scharf taktisch überlegenden Clerc ein soeben vom Treppenflur her
anhebendes,
schnell heftig werdendes Stimmengezänk, aus dem alsbald der
schmetternde Sopran
Klaras dominierend sich hochschwang.
„Ja,
was ist denn los?!
lispelte Suzy, ohne ihre Frisur auch nur im Mindesten weniger wichtig
zu
nehmen.
„Ach
Quatsch!“ machte Clerc, der mit einem innigen, freilich bloss gedachten
Zungenschnalzen
wahrnahm, dass die raufenden Organe die Nachbarwohnung gewannen, und,
sofort
über alles Erforderliche im Klaren, Suzy ein Glas Wein an die Lippen
drängte.
Suzy,
welcher der Spiegel
eine Zufriedenheit appliziert hatte, die oft schon der Erfolg selber
ist, trank
lächelnd und quittierte vergnügt den ersterbenden Blick Clercs, den er
ganz
besonders meisterte.
Dies
war sehr leichtsinnig.
Denn im Nu hatte Clerc ihr das Glas aus der Hand gedrückt und, mit der
Rechten
beide Hände ihr unters Kreuz pressend, sie aufs Bett gezwungen.
Seine
Lippen versaugten jeden Schrei. Seine Knie und seine Linke machten ihn
herrschen . . .
Einigermassen
knapp vor dem Finish begann der Treppenflur sich wieder zu
beleben.
Clerc
antizipierte eine
tolle Sensation und sann, der ganze Mensch ein jauchzender Nerv, wild
darüber,
sie zu veranstalten.
Klara
jagte ins Zimmer.
„Wlacks-tacks!“
japste sie augenblicks, wobei ihr entgeistertes Posterieur die
Tür zubummte.
Den
Hausschlüssel Clercs,
den dessen Linke plötzlich gezückt hatte, hielt sie nun freilich
tatsächlich
für etwas Schliessfähiges: was aber in Wirklichkeit sie an die Tür
klebte, war
der schliesslich ganz zweifellos enorm fesselnde Anblick einer ogott so
sehr
geschätzten, aber nie noch unbeteiligt betrachteten Handlung.
Klaras
Gesicht schwamm wie
ein Öllicht. Ihre Zeigefinger drohten sich gegenseitig. Die Augen
symbolisierten, geradezu vorbildlich, ein unsägliches Gemisch von
unangenehmen
Lustgefühlen und angenehmen Unlustgefühlen.
Clerc
hatte, um all dieses
auszuschlürfen, seinen auf Suzys Lippen befindlichen Mund sofort durch
eine
Wange ersetzt und hob diese nun, da es nicht mehr nötig war, Suzys
Quargeltöne
samt dem sie hervorbringenden Köpfchen niederzuhalten.
Nun
sprang er blitzschnell
direkt von Suzy weg hinter ein Fauteuil, dem er seine Toilette
anzuvertrauen
wünschte.
Vergeblich.
Klara stürzte
sich auf ihn. Er warf ihr deshalb das Fauteuil an die Knie. Sie
purzelte
hinein. Er über sie hinweg. Sie ihm nach. Er durch die Tür, die er so
lange,
die Zähne grinsend zusammenknarrend, zuhielt, bis er es für günstig
hielt,
schnell loszulassen.
Klaras
Hinterhaupt sauste
auf Suzys Bauch.
Beide
kugelten schreiend
über den Boden, dieweil Clerc, sehr mit seiner Hose beschäftigt, die
Treppe
hinuntertrommelte.
Auf
der Strasse kehrte
seine Reflexionsfähigkeit allgemach zurück. Er erkannte es denn auch
sofort als
das einzig Zweckmässige, hinter einer Litfassäule, schräg gegenüber dem
Haustor, das Ergebnis der Unterredung, der die beiden Damen gegenwärtig
vermutlicherweise oblagen, abzuwarten.
Plötzlich
fielen sein Hut,
sein Mantel und sein Stock hastig aufs Pflaster, allwo sie
melancholisch liegen
blieben. Da ihnen von oben niemand nachblickte, bemächtigte sich Clerc
straks
ihrer und verwendete sie, nunmehr um vieles beruhigter, im Sinne ihrer
Bestimmung,
als Suzy sturmartig das Haus verliess.
Dadurch
fiel Clerc ein,
dass er verdienstlos geworden war. Sofort rannte er Suzy nach, die er
an der
zweitnächsten Strassenecke endlich abzufangen vermochte.
Suzy
schrie durchdringend.
Er, dadurch sinnlos gereizt, schlug.
Da
sogleich Passanten dastanden
und Meinungen äusserten, entschloss sich Suzy rechtzeitig, zu lächeln.
Nun
spielte Clerc, nicht
weniger geistesgegenwärtig, eine Strasse lang mit Suzy Liebespaar,
wobei es
seinen kundigen Händen und seinem erprobten Scherzen rasch gelang, sie
zum
Betreten eines ihm wohl bekannten vorzüglichen Cafés zu überreden.
Daselbst
rann seine Rede
wie Honig, stürmten seine Augen bald heiss bald blind, bebten seine
Knie streckweise
und richtig plaziert. Und nach knapp zwei Stunden war Suzys
Selbstbestimmungsmöglichkeit vorbei und ihre Börse in Clercs Besitz.
In
der nächsten Nacht war
er deshalb in der angenehmen Lage, Suzy folgenden Brief ins Bett zu
reichen:
Herrn
Hans Clerc.
Wollen
Sie mir die Ihnen
innerhalb eines Jahres schuksessive geliehenen Mk. 1700,-
(Siebenzehnhundert
Mk.) umgehend rückerstatten, widrigenfalls ich Sie verhaften lasse.
Weshalb,
das dürfte Dir keine Kopfschmerzen machen, Du Hund. Jetzt ist mir die
Geduld
gerissen.
Klara
Kofelkamm
Suzy
lächelte ängstlich dem
schwärzlichen Plafond zu, während sie leise sagte: „Die soll sich nur
mucksen,
dieses Aas. Dann sage ich, wer vor einem halben Jahre in ihrem Bureau
den
Scheck geschmuht hat.“
„Nicht
nötig. Das war
eigentlich ich.“
„Ja,
aaaaaber . . .“
„Keine
Sorge. Ich schicke
ihr jemanden ins Haus, der den Effekt genau so trifft wie son Geheimer
von die
Polente.“
Auf
Suzys Busen entstand
ein stolzer Hauch.
Clerc
entfernte ihn durch
einen wohlgezielten Hieb.
Er
veranstaltete eine
Impression.
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