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Literatur


04.2


Biografie

Ernst Blass





Ernst Blass




geboren: 17.10.1890 in Berlin
gestorben:
23.01.1939 in Berlin
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Blass, Blaß, Ernst, wurde am 17.10.1890 in Berlin geboren, er starb am 23.01.1939 in Berlin.
Lyriker und Essayist.

Blass, einziger Sohn (neben fünf Schwestern) eines nicht sehr wohlhabenden jüdischen Kaufmanns, besuchte ab 1897 das Königliche Wilhelms-Gymnasium in Berlin. 1908 begann er in Berlin Jura zu studieren. Früh fand er v. a. durch die Freundschaft mit Kurt Hiller literarischen Anschluss: Er wurde Mitglied im „Neuen Club“, der ersten expressionistischen Autorenvereinigung, in der auch Georg Heym und Jakob van Hoddis entdeckt wurden, las seine Lyrik und Prosa in dessen „Neopathetischem Kabarett für Abenteurer des Geistes“ und später im Kabarett „Gnu“ und verkehrte im „Café des Westens“ sowie anderen Boheme- und Künstler-Kreisen.

Ab 1910 erschienen seine Texte in fast allen bedeutenden avantgardistischen Zeitschriften („Aktion“, „Sturm“, „Saturn“, „Revolution“, „Pan“, „Das neue Pathos“, „Die weißen Blätter“ u. a.) und vielen Anthologien sowie Almanachen (z. B. „Kondor“, der frühesten Lyriksammlung des Expressionismus, „Ballhaus“, „Vom Jüngsten Tag“, „menschliche Gedichte im Krieg“).
Wegen einer unglücklichen Liebesgeschichte (thematisiert in seinem berühmtesten Gedicht: An Gladys, in „Die Straßen komme ich entlang geweht". Heidelberg 1912. Neudruck München/Wien 1980) und angegriffener Gesundheit zog Blass im Frühjahr 1913 nach Heidelberg, wo er 1916 mit der Arbeit „Die Tötung des Verlangenden" (§ 216 RStGB) zum Dr. jur. promovierte.

Ab 1914 gab er die exclusive literarisch-philosophische Zeitschrift „Die Argonauten“ (zunächst monatlich, dann sehr sporadisch, letztes Heft 1921) mit Beiträgen von Walter Benjamin, Ernst Bloch, Max Scheler, Leonard Nelson, Gustav Radbruch, Rudolf Borchardt, Franz Blei, Carl Sternheim, Franz Werfel, Franz Jung, Robert Musil u. a. heraus.

Wegen epileptischer Anfälle, die später ausblieben, wurde Blass trotz freiwilliger Meldung im Ersten Weltkrieg nicht eingezogen.

Ende 1915 bis 1920 nahm er einen ungeliebten Brotberuf als Archivar bei der Dresdner Bank in Berlin an.

1921-1923 war er Kritiker beim „Berliner Börsen-Courier“, 1924 Theater- und Filmkritiker bei der Wochenzeitung „Montag-Morgen“ und danach freier Feuilleton-Mitarbeiter bei der Wochenzeitung „Montag-Morgen“ und danach freier Feuilleton-Mitarbeiter des „Berliner Tageblatts“.

Die Jahre 1918-1922 waren Blass produktivste Zeit; er wurde Mitglied in der „Gruppe 25“, im PEN und im Schutzverband deutscher Schriftsteller.

Ab Mitte der 20er Jahre nahm sein Leben infolge vielfältiger Belastungen (zunehmende Er- blindung durch Augentuberkulose, Sanatoriumsaufenthalte, Scheidung  seiner Ehe, Arbeitshem- mungen, permanente finanzielle Sorgen) tragische Züge an.

Nach 1933 verstärkten sich die Probleme: Wenngleich B. auch nicht direkt verfolgt wurde, hatte er kaum noch Publikationsmöglichkeiten (außer in der „Jüdischen Rundschau“) und lebte immer isolierter.

Ernst Blass erste Veröffentlichung „Die Straßen komme ich entlang geweht“ gehört zu den bedeutendsten Gedichtsbänden des Expressionismus mit Wirkungen bis zu Tucholsky und Mehring, Erich Kästner und Mascha Kaléko.

Im Vorwort, einer der frühesten programmatischen Äußerungen zur expressionistischen Lyrik überhaupt, forderte Blass vom Lyriker die Gestaltung alltäglich-trivialer Erlebnisse und Phänomene sowie „das Wissen um das Flache des Lebens, das Klebrige, das Alltägliche, das Stimmungslose, das Idiotische, die Schmach, die Miesheit“.

Erstmals wird in den Gedichten selbst eine moderne Großstadt (Berlin) mit all ihren Erscheinungsformen (flutender Verkehr, nächtliche Vorstadtstraßen und Parks, Cafés und Bars, Laternen und Busse, Autos und Grammofone, Spießbürger und Kokotten) als Grundlage der Existenz und der Isolation des modernen Großstädters betrachtet. Diesem Themenkomplex entsprechen wesentliche Merkmale seines Stils: die häufige Verwendung von Fremd- und Lehnworten, von Berliner Jargon sowie verfremdenden Dissonanzen, Blass’s Dialektik von strenger Versform und Umgangssprache, das Ineinander übergehen von Ironie und Melancholie, von Zynismus und Weltschmerz, von Bizarr-Groteskem und Schlichtem. Diese Mischung macht den unverwechselbaren Klang der kritisch-intellektuellen, weltstädtischen „Fortgeschrittenen Lyrik“ Blass’s aus.

Schon in seinem zweiten Band „Die Gedichte von Trennung und Licht“ (Leipzig 1915), erst recht in Gedichte von Sommer und Tod (in: „Der Jüngste Tag“ 46, Leipzig 1918) und „Der offene Strom“ (Heidelberg 1921) betonte Blass mehr die idealistische Seite seines Wesens; er orientierte sich an Goethe, Hölderlin und vor allem an Stefan George, den er wiederholt in hymnischen Essays bewunderte. Formstrenge und Feierlichkeit, gleichmäßiger Rhythmus und schöne Reime waren nun sein Kunstideal: Die süddt. Landschaft, Stimmungen und Gedanken, Liebe und Vergänglichkeit wurden Themen seiner Verse. Mit der Hinwendung zum neu klassizistischen Ästhetizismus nahm Blass eine Entwicklung vorweg, wie sie andere Expressionisten erst im Alterswerk vollzogen.

Allerdings fand Blass Mitte der 20er Jahre in einer kleinen Anzahl nur verstreut erschienener Gedichte nochmals eine Wendung zum Stil der Neuen Sachlichkeit und ebenso eine Art Rückkehr zum Boulevard-Timbre seiner Anfänge.

Auch als Film- und Literaturkritiker, Essayist und Herausgeber der Zeitschrift „Die Argonauten“ hat Blass Wegweisendes geleistet, indem er z. B. früh den Tang von Musil, Döblin oder Joyce erkannte und sich publizistisch für sie einsetzte. Als einer der Ersten veröffentlichte er frühe bedeutende Texte von Benjamin und Bloch.


Gedichte


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Biografie Ernst Blass - Textgrundlage: Aus Autoren- und Werklexikon: Blass Ernst, S. 5.
Digitale Bibliothek Band 9: Killy Literaturlexikon


Logo 353: "Roman Bridge at Mostar" Csoutváry Kosztka Tivador, 1903, gemeinfrei
Kleines Bild Ausschnitt aus Roman Bridge at Mostar
wikimedia


Bild:  Portrait Ernst Blass
Quelle

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