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04.2
Biografie
Detlev von Liliencron
Friedrich (Fritz) Adolf Axel Freiherr v.
Liliencron
Geboren:
03. Juni 1844
Gestorben:
22. Juli 1909
__________________________________________
Am 3. Juni 1844 wird Friedrich (Fritz)
Adolf Axel Freiherr v. Liliencron als Sohn eines dänischen Zollbeamten
im damals noch dänischen Kiel geboren. Den in den amtlichen Zeugnissen
fehlenden Vornamen Detlev legt sich der angehende Dichter 1879
eigenmächtig zu.
Nach
dem Abbruch des Gymnasiums besucht er die Realschule in Erfurt und eine
Berliner Kadettenschule. Als Offizier dient er in der preußischen Armee
und nimmt Teil am preußisch – österreichischen Krieg (1866) und auch am
deutsch- französischen Krieg (1870/1871). Danach verlässt er die Armee
aufgrund seiner hohen Verschuldung, um nach Amerika auszuwandern. Sein
Versuch, in die US-Army aufgenommen zu werden, misslingt. Nach seinem
Amerika–Aufenthalt (1875 –1877), wo er den Lebensunterhalt als
Sprachlehrer, Zureiter, Klavierspieler und Maler zu bestreiten
versucht, kehrt er nach Hamburg zurück und heiratet Helene Freiin v.
Bodenhausen.
Fünf
Jahre später wird er in den Verwaltungsdienst aufgenommen und 1882/83
Hardesvogt auf der nordfriesischen Insel Pellworm. Doch wegen seiner
hohen Verschuldung muss er auch dieses Amt quittieren. Wohl nicht
zuletzt wegen seiner anhaltenden finanziellen Misere scheitert seine
Ehe.
1896
verheiratet er sich erneut mit Auguste Brande . Er schließt im Laufe
seines Lebens Freundschaft mit Richard Dehmel, Gustav Falke, Otto
Julius Bierbaum, Otto Ernst, Harry Graf Kessler und vielen anderen.
Am 22. Juli 1909 stirbt Detlev v.
Liliencron in Alt-Rahlstedt bei Hamburg an einer Lungenentzündung
******
Zeitgenössisches
"literarisches Portrait" 1906 verfasst von Victor Hadwiger
Detlev
Frhr. von Liliencron (geb. zu Kiel 1844, lebt in Alt-Rahlstedt) sieht
seine Welt gleichsam vom Fenster eines Eisenbahncoupés aus oder auf dem
Rücken des Reittiers sitzend, das ihn über Wiesen und Felder trägt.
Diese impressionistische Erfassung der Erscheinungen der Außenwelt läßt
das Wesen seiner Kunst als eine Reihe von kleinen, manchmal scharfen
und charakteristischen Momentphotographien erscheinen, die bald mit
beabsichtigter Willkür aneinandergereiht erscheinen, bald mit
peinlicher Sorgfalt geordnet sind. Man darf aber, wenn man Bezeichnung
Impressionismus wählt, sich nicht mit einer Verwechslung mit jenem
Schlagwort verleiten lassen, das für die literarische Saat der
George-Hofmannsthal geprägt wurde. Sein Impressionismus ist
naiv-naturalistischer Natur; er nimmt die Eindrücke in der Gestalt, in
der sie ihm auftauchen, ohne sie in Gefühle aufzulösen. Das gibt neben
der starken Schöpferkraft in der Bildung des sprachlichen Ausdrucks
seiner Diktion das Gepräge. Obwohl Liliencron dem Alter nach einer
früheren Periode angehört, steht er hinsichtlich seines Wesens mitten
unter den Jungen. Er war einer von jenen, die plötzlich abgebrochen
haben mit allem Überkommenen; ja, er begann gewissermaßen als Fertiger,
während andere Revolutionäre wie Holz und Dehmel sich erst allmählich
zu ihren Reifequalitäten durchgerungen haben.
Liliencron
war Offizier der Preußischen Armee und machte als solcher die Feldzüge
gegen Österreich und Frankreich mit; später war er Hardesvogt in
Pellworm und bis 1887 Kirchspielvogt in Kellinghusen. Bald jedoch gab
er diesen Posten auf und übersiedelte nach München. Gegenwärtig lebt er
in Hamburg.
Liliencron
hat selbst einige biographische Notizen aufgezeichnet, aus denen
Bruchstücke hier Aufnahme finden sollen, weil sie für den frischen
Daseinsmut dieses Mannes und seine Dankbarkeit dem Leben gegenüber so
bezeichnend sind. So lesen wir von seiner frühesten Jugend, der die
Mathematik, "die Schleifmühle des Kopfes", die einzigen trüben Stunden
gebracht hat. - "... Dann aber war ich frei und lief in den Garten, ins
Holz, in die Felder und überließ mich meinen Träumereien. Früh bin ich
Jäger geworden. Mit Hund und Gewehr allein durch die Heide, Wald und
Busch zu streifen, wird immer mir ein Tag zu leben wert sein." - Oder
er spricht von seiner lustigen Leutnantszeit. "O du Leutnantszeit! Mit
deiner fröhlichen Frische, mit deiner Schneidigkeit, mit den vielen
herrlichen Freunden und Kameraden, mit allen deinen Rosentagen, mit
deinem bis aufs schärfste herangenommenen Pflichtgefühl, mit deiner
strengen Selbstzucht!" Das sind warme und dankbare Worte eines
Dichters, der sich als Mensch wie alle anderen fühlt, eines Optimisten,
der aus allem den Ton, den Akkord, das Erquickende zu holen bereit ist.
Schon
seine erste Sammlung "Adjutantenritte und andere Gedichte" fand bei
Publikum Kritik und lebhafte Anerkennung, und ein berufener Beurteiler
wie Theodor Storm lobte an ihr bei einigen Gedichten die von allem
Nachahmungseifer freie Kraft und Grazie. Es sind zwei typische Züge,
die den fröhlichen Romantiker in erster Linie charakterisieren, seine
Vorliebe für Naturbilder (aufgefasst in der eingangs geschilderten
Weise) und das erotische Element in seiner liebenswürdigsten Färbung,
der Genuss mit der Gloriole der Alltäglichkeit. Und das alles ist in
einer anscheinend zügellosen, willkürlichen Form vorgebracht, die
manchen Formalisten von "künstlerischer Zuchtlosigkeit" sprechen ließ
oder ihm gar den schönen Ausdruck "dekadent" in den Mund,legte. -
Für
den mit Vorurteilen reich gesegneten Nichtfachmann mochte das
allerdings so den Anschein haben, in Wahrheit aber handelt es sich bei
Liliencron um eine saubere Ziselierarbeit, die im Wesen an Heines
Virtuosität und Gewissenhaftigkeit erinnert, an die man auch erst
glauben lernte, als man die beiden Fassungen des "Buch der Lieder"
miteinander vergleichen konnte.
Gewiß
findet sich besonders in den späteren Sammlungen "Gedichte" 1889,
"Heidegänger und andere Gedichte" 1891, "Neue Gedichte" 1895, "Nebel
und Sonne" 1900, "Bunte Beute" 1903 sehr vieles, was die Angriffe der
Kritik berechtigt erscheinen läßt. Manches, was früher Charakteristikum
war, ist hier Manier geworden, was bei einer so scharf umrissenen
Eigenart wie Liliencron nur zu leicht eintreten konnte. Das
Burschikos-Renommistische einzelner Gedichte machte sich unangenehm
breit, und die wuchernde Erotik begann zu langweilen. Die Extravaganzen
der Form, ein gewisser Hang, mit lapidaren Ausdrücken Effekte zu
erzielen, verleiteten den Dichter zu einer oft sehr geschmacklosen
Virtuosität. Aber trotz alledem blieb auch in diesen Sammlungen noch
mancher Reichtum an Schönheit.
Das
Temperamentvollste bietet der Dichter wohl in seinem "Poggfred. Ein
kunterbuntes Epos in 12 Kantussen" 1897 (auf 29 Kantusse vermehrt
1908), in dem er den Ton des Byronschen "Don Juan" gewissermaßen
fortsetzt. Wohl besitzt Liliencron lange nicht jene feine künstlerische
Zurückhaltung, die bei Byron das Wildeste im Zaume hält. Er stolpert
oft über den Sack, in dem er alle seine Schätze mit sich führt, und
schüttet dabei etwas zuviel davon aus. Immerhin bleibt das Gedicht eine
der formell interessantesten Leistungen jener Zeitepoche.
Der
Zug zum Drama ist nie so lebendig gewesen wie in unserer Zeit. Er hat
auch Liliencron erfasst und in ihm dieselben Symtome gezeitigt, wie sie
etwa bei Dehmel zu finden sind. Weder Liliencrons historisches Drama
"Knut der Herr" 1885, "Die Rantzow und die Pogwisch" 1886, "Der Trifels
und Palermo" 1886, "Die Merowinger" 1887, noch seine dem modernen
Milieu entnommenen Stücke, wie das Genrebild "Arbeitadelt", haben
dramatisch empfundene Charaktere oder eine dramatische Entwicklung. Es
sind gerade die Vorzüge des Lyrikers, die im Bereiche des Dramas zu
krassen Mängeln werden. Eine starke Persönlichkeit spricht sich
immerhin auch hier aus. Einzelne Szenen haben Kraft und Fülle des
Ausdrucks, die sie wie eingestreute Balladen aus dem Ganzen
heraustreten lassen.
Zu
viel stärkeren Leistungen bringt er es in der Prosa. Schon 1888
erscheint sein Roman "Breide Hummelsbüttel", der von Stimmung und
dekorativem Beiwerk mehr aufstapelt, als es der Rahmen der Handlung
verträgt, in Einzelzügen aber den Beweis eines guten epischen Talentes
verrät. Künstlerisch bei weitem abgeschlossener sind seine Skizzen und
Novellen, wie "Eine Sommerschlacht" 1887, "Unter flatternden Fahnen"
1888, "Krieg und Frieden" 1891, die Situation und Kolorit dem
schleswig-holsteinischen Leben entnehmen. Die Novellen "Aus Marsch und
Geest", "Könige und Bauern" 1900 und seine Gedichtsammling "Bunte
Beute" stehen nicht mehr auf der künstlerischen Höhe der früheren
Sammlungen des nun alternden Dichters: die letzte Sammlung ist sehr
schwach und enthält kaum eine annehmbare Leistung. Auch seinen jüngsten
Roman "Leben und Lüge" kann man allerhöchsten Falles um einiger
Einzelstücke willen liebgewinnen.
Gedichte Liliencron
oben
____________________________________
Zeitgenössisches "literarisches
Portrait" von Victor Hadwiger aus:
Führer
durch die moderne Literatur, herausgegeben von Hanns Heinz Ewers,
unter
Mitwirkung der Schriftsteller Victor Hadwiger, Erich Mühsam, René
Schickele,
Walter Bläsing. Berlin 1906. S.117 - 121
Textbrundlage
Biografie: richard-demel.de
Foto
Liliencron: wikimedia
Logo 5a: "Frühling", Zugabe von
Homepage
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