Biografie
- Joachim Ringelnatz
Kindheit und Jugend
(1883–1901)
Joachim
Ringelnatz wurde als jüngstes von
drei Geschwistern am 07.08.1883
in Wurzen bei Leipzig geboren. Seine Eltern waren
beide künstlerisch tätig. Sein Vater Georg
Bötticher, der einer angesehenen thüringischen
Gelehrtenfamilie entstammte, war ein erfolgreicher Musterzeichner und
später
hauptberuflicher Verfasser von humoristischen Versen und Kinderbüchern.
Er
veröffentlichte über vierzig Bücher, darunter in Reclams
Universal-Bibliothek. Die Mutter Rosa Marie, Tochter eines
Sägewerksbesitzers, zeichnete
ebenfalls, entwarf Muster für Perlstickereien und stellte
Puppenbekleidung her.
Ringelnatz wuchs in bescheidenem Wohlstand auf: Die Familie
beschäftigte zwei
Dienstmädchen.
Der Vater hatte in jeder Hinsicht
auf
Ringelnatz einen wesentlich größeren Einfluss als die Mutter. Der Junge
eiferte
in seinen ersten literarischen Produktionen eindeutig dem Vater nach
und fühlte
sich zeit seines Lebens durch den akademischen Hintergrund des Vaters
und
dessen weite Kontakte eingeschüchtert und herausgefordert. Der Vater
korrespondierte mit Emanuel
Geibel, Gustav
Freytag, Conrad Ferdinand Meyer, Wilhelm
Raabe und Adolph
von Menzel, seine Werke wurden von Theodor
Fontane als „anheimelnd“ gelobt. Politisch war Georg Bötticher
deutlich interessierter als der eher
unpolitische Sohn. Er feierte mit Freunden das Andenken Ferdinand
Freiligraths, war ein glühender Verehrer Otto
von Bismarcks und schrieb beißende Satiren auf
das wilhelminische
Zeitalter. Mit der Mutter hatte Ringelnatz größere
Probleme als mit dem zu Nachsicht und Güte tendierenden Vater. An seine
Verlobte Alma schrieb Ringelnatz 1914: „Mutterliebe fehlt uns beiden“.
1886 zog die Familie
nach Leipzig um,
wo der Vater Mitglied der Künstler- und Gelehrtenszene war. Ab
1900 widmete er sich hauptberuflich seiner Schriftstellerei und gab
seit 1901 Auerbachs
Deutschen Kinderkalender heraus, in dem er Ringelnatz zu seinen
ersten
Veröffentlichungen verhalf: Ostermärchen und zwei
Geschichten Vom
Alten Fritz.
Die
Schulzeit war schwer für Ringelnatz:
Er sah in den Lehrern „respekt fordernde Dunkelmenschen“
und wurde von den Mitschülern für sein seltsames Aussehen
(mädchenhafte Frisur, ungewöhnlich lange Vogelnase,
vordrängendes Kinn, kleine
Statur) gehänselt. Auch später noch führte Ringelnatz
viele Schwierigkeiten auf
sein ungewöhnliches Aussehen zurück: „Ich bin
überzeugt, dass mein Gesicht mein
Schicksal bestimmt. Hätte ich ein anderes Gesicht, wäre mein
Leben ganz anders,
jedenfalls ruhiger verlaufen.“ Der Junge flüchtete sich in
Trotz, Rüpeleien und einsames Zeichnen
und Schreiben. 1892 verfasste und illustrierte Joachim Ringelnatz sein
frühestes erhaltenes Werk: die Landpartie der Tiere, ein
Tier-Akrostchon im Stile .
Als
Quintaner leistete sich Ringelnatz
einen Streich zu viel: Während der Pause verließ er das Schulgelände,
ging zu
einer Völkerschau im neben der Schule gelegenen Zoo und ließ sich von
einerSamoanerin auf den Unterarm tätowieren. In der Schule gab er
überdies noch
gegenüber seinem Lehrer mit dem Vorfall an. Die Reaktion war der
Verweis vom
Gymnasium. Es folgten Jahre auf einer Privat-Realschule. 1901 beendete
Ringelnatz seine auch dort wenig erfolgreiche Schulzeit mit dem
Einjährigen-Freiwilligen-Examen (Obersekundarreife). Auf dem
Abgangszeugnis des
zweimaligen Sitzenbleibers vermerkte ein Lehrer, der Absolvent sei „ein
Schulrüpel ersten Ranges“gewesen.
Seefahrerzeit
und Wanderjahre
(1901–1908)
Ringelnatz
hatte sich in den Kopf gesetzt,
Seemann zu werden. Von April bis September 1901 arbeitete er als
Schiffsjunge
auf dem Segelschiff Elli. Seine Erfahrungen waren ernüchternd: Der
sächselnde, kleingewachsene Ringelnatz wurde Zielscheibe von
Beleidigungen (der
Kapitän nannte ihn „Nasenkönig“, Schikanen und körperlicher Gewalt.
In Belize riss er aus, verirrte sich im Urwald und wurde
endlich ergriffen, um
auf der Rückfahrt noch mehr durchzumachen. Zurück
in Hamburg war er arbeitslos und litt Hunger. Ende des Jahres
war er Aushilfe in Malferteiners
Schlangenbude auf dem Hamburger Dom (er half, die
Riesenschlangen zu tragen).
Dies
war nur einer der über dreißig
Nebenberufe, die Ringelnatz während seiner Seemannszeit
ausübte. Heuern als
Leichtmatrose auf allen Weltmeeren wechselten immer wieder mit Phasen
der
Arbeitslosigkeit ab, so zum Beispiel in Hull, wo er
obdachlos von Essensspenden lebte. In einem Seemannsheim half er
schließlich
als „Mädchen für alles“ aus, lebte in den Tag
hinein und freute sich an
Trinkgelagen mit seinen neuen Freunden. Nach einer Weile wurde er
jedoch des
Feierns überdrüssig und heuerte wieder auf Schiffen an, bis
ihm 1903 die
weitere Ausübung des Matrosenberufs wegen mangelnder
Sehschärfe untersagt
wurde. Dennoch absolvierte er noch die Qualifikationsfahrt für den
Militärdienst bei der Marine und diente 1904
als Einjährig-Freiwilliger bei derKaiserlichen
Marine in Kiel.
Anfang 1905 trat er als
unbezahlter
Lehrling in eine Hamburger Dachpappenfirma ein, ließ sich aber zugleich
an der
Universität von Leipzig für das Fach Handelswissenschaften
immatrikulieren. Zu
seiner großen Enttäuschung bewirkte der Vater, der das Studium nicht
finanzieren konnte oder wollte, beim Rektor, einem Freund, dass
Ringelnatz’
Einschreibung rückgängig gemacht wurde. Andererseits verhalf der Vater
seinem
Sohn erneut zu einer Veröffentlichung in Auerbach’s Deutschem
Kinderkalender (das Gedicht Untergang der Jeanette). 1905
malte er auch die ersten bekannten Ölbilder
(Kriegsschiff und Dachpanorama).
1907–1908
arbeitete Ringelnatz als Kommis in Leipzig und Frankfurt
am Main, doch war er noch nicht bereit zu einem geregelten Alltag.
Geschminkt
spielte er, der zeitlebens zu kindlichen Streichen neigte, der
Bevölkerung von Eltville vor, der Kalif von Bagdad sei zu
Besuch. Kurze Zeit später brach er
von einem Tag auf den anderen nach Hull auf, um seine alten Kumpane
wiederzusehen. Das Geld für die Reise verdiente er sich als fahrender
Sänger
und Gelegenheitsarbeiter. Die Ankunft war eine große Enttäuschung: Die
völlig heruntergekommenen
Freunde erkannten ihn nicht mehr. Auf seiner nächsten
Station Amsterdam forderten die Anstrengungen der Reise ihren
Tribut: Vor Hunger
entkräftet vegetierte Ringelnatz in einer Bodenkammer mit
einer Kiste als Bett. Der deutsche Pfarrer von Amsterdam hielt
Ringelnatz für einen Betrüger und ließ ihn ins Gefängnis stecken. Nach
einigen
Wochen wurde der Abenteurer nach Deutschland abgeschoben.
Er
trat eine Stelle als Buchhalter in
einem Münchner Reisebüro an, doch verlor er die Stelle, als
sein Chef merkte, dass
Ringelnatz mitnichten fünf fremde Sprachen beherrschte. In der
anspruchslosen
satirischen Wochenschrift Grobian veröffentlichte Ringelnatz
Gedichte, Witze, Anekdoten und das Märchen Der ehrliche Seemann.
Beginn der Laufbahn als
Kabarettist und
Schriftsteller (1909–1914)
Ein entscheidendes Ereignis im
Leben
Joachim Ringelnatz’ war 1909 der Beginn seiner Auftritte in der
Münchner
Künstlerkneipe Simplicissimus. Rasch wurde der Unbekannte zum
Hausdichter und damit quasi Angestellten
der geschäftstüchtigen Wirtin Kathi
Kobus und Freund und Kollege der dort
auftretenden und verkehrenden Künstler wie Carl Georg von
Maassen, Erich
Mühsam, Frank
Wedekind, Max
Dauthendey, Ludwig
Thoma, Emmy
Hennings, Roda Roda, Bruno
Frank und Max
Reinhardt. Die Auftritte waren jedoch sehr schlecht
bezahlt. Ringelnatz hoffte mit Reklameversen und dem
Tabakladen Tabakhaus
Zum Hausdichter Geld verdienen zu können, doch das originelle
Geschäft
(geschmückt mit einem menschlichen Gerippe) machte nach einigen Monaten
Pleite.
Unter
verschiedenen Pseudonymen
veröffentlichte Ringelnatz in der angesehenen satirischen
Zeitschrift Simplicissimus Gedichte und den
autobiographischen Essay Viellieber Freund.
1910 dann veröffentlichte er endlich seine ersten Bücher: zwei
Kinderbücher und
einen Band ernster Gedichte, den er seinem Vater widmete. In der
Zeitschrift Die Jugend wurde seine Novelle Die wilde
Miss von Ohio abgedruckt.
In
der neuen Umgebung und durch die neuen
Bekannten wurde sich Ringelnatz seiner mangelnden Bildung bewusst. So
wurde er
zwar in den burlesken Geheimbund Hermetische
Gesellschaftaufgenommen,
doch nur als „kleinerer mittlerer Seitenvater Appendix“,
weil er die akademisch anspruchsvolle Aufnahmeprüfung nur
ungenügend
bestanden hatte. Er ließ sich daher privat von Baron Thilo von
Seebach in
Latein, Geschichte, Literaturgeschichte und anderen Fächern
unterrichten, um
den Abstand wettzumachen, und studierte Werke der Weltliteratur.
Ringelnatz’
Begeisterung für das Bohème-Leben war schnell aufgebraucht, zumal
er sich von Kathi Kobus ausgenutzt
fühlte (sein Honorar betrug zuerst nur ein Bier, dann schließlich ein
Bier und
zwei Mark). 1911 floh er und reiste
nach Tirol und Riga und verbrachte den Sommer
in Kurland. Schnell war
er wieder mittellos und verdiente sich etwas in Bordellen, wo er als
Wahrsagerin verkleidet den Prostituierten die Zukunft vorhersagte. Auf
einer
Ausstellung in Düna verkaufte er zwei Landschaftsbilder, doch blieb
seine
materielle Lage katastrophal: Den Winter verbrachte er unter härtesten
Bedingungen (13 Grad unter Null) in einem Strandhaus bei Riga. Im
selben Jahr
erschien der erste Band seiner autobiographischen Bücher (Was ein
Schiffsjungen-Tagebuch erzählt).
1912
arbeitete Ringelnatz als
Privatbibliothekar bei Graf Paul Yorck von Wartenburg auf dem
Schloss Klein-Öls, wo er vor allem den Nachlass Wilhelm
Diltheys ordnete. Im folgenden Jahr arbeitete
er erneut als Bibliothekar, diesmal beim Kammerherrn Börries Freiherr
von
Münchhausen-Moringen, dann war er Fremdenführer auf Burg
Lauenstein und absolvierte schließlich einen Kurs als
Schaufensterdekorateur (er
dekorierte ein einziges Schaufenster und das so unorthodox, dass er den
Beruf
sogleich wieder aufgab). Es war diese in den nicht zueinander passenden
Berufen
dokumentierte Ziellosigkeit, die die Eltern von Alma Baumgarten (die er
wegen
ihrer Kurzsichtigkeit und ihres schwarzen
Samtmantels Maulwurf nannte),
motivierte, ihre Zustimmung zu seiner Verlobung mit ihrer Tochter zu
verweigern.
Seine Gedichtsammlung Die
Schnupftabaksdose erschien, die einige seiner bis heute
bekanntesten
Verse enthält, und der Novellenband Ein jeder lebt’s. Doch
Ringelnatz
hatte kaum nennenswerte Einnahmen durch seine Schriftstellerei. 1910
bekam er
für Kleine Wesen ein einmaliges Honorar von 200 Mark, für
die Schnupftabaksdose kaum
mehr. 1913 und 1914 wurden zudem alle seine Einsendungen an Zeitungen
und Zeitschriften
abgelehnt.
Kriegs- und Nachkriegszeit
(1914–1919)
Direkt
zu Kriegsbeginn meldete sich
Ringelnatz freiwillig zur Marine. Wie die Mehrheit der deutschen
Intellektuellen (etwa Arno Holz, Gerhart
Hauptmann, Thomas
Mann und Klabund) war er kriegsbegeistert: „Ich dachte an
Kriegsromantik und Heldentod, und
meine Brust war bis an den Rand mit Begeisterung und Abenteuerlust
gefüllt.“ Zu seiner Enttäuschung durfte er nicht an Schlachten
teilnehmen,
obwohl er sich mehrfach freiwillig, einmal sogar in einem Brief direkt
an
Kaiser Wilhelm II., an die Front meldete. Zunächst diente er auf
Sperrschiffen, dann freiwillig
auf einemMinenlegeschiff – eine undankbare und gefährliche Arbeit.
Nur unter großen
Anstrengungen schaffte Ringelnatz den Aufstieg
zum Reserveoffizier, da der Chef der Lehrkompanie den „Kröpel“
(niederdeutsch für Krüppel)
nicht zur Beförderung zulassen wollte.
Allmählich ließ seine
Begeisterung nach.
Er schrieb in einem Brief: „Mir scheint der Krieg nur als eine
komplizierte,
mehr und mehr an Tragik zunehmende Abwickelung von Intrigen und Mächten
aller
Nationen.“ Ab 1917 war Ringelnatz Leutnant zur See und Kommandant eines
Minensuchbootes
in Seeheim bei Cuxhaven, wo er Muße hatte, sich
einem Terrarium voller
Schlangen und Eidechsen zu widmen. Seine
Kriegsnovellensammlung Die
Woge verbot die Zensur trotz allgemein kriegsbefürwortender
Tendenz.
Einige der Novellen publizierte Ringelnatz jedoch in diversen
Zeitschriften.
1918 starb der geliebte Vater. An
ihn
erinnert eine Gedenkplakette am Alten Rathaus in Leipzig, vor
der Ringelnatz bei jedem Vorübergehen den Hut zog.
Der Sohn, damals Marineleutnant, war in Berlin auf Urlaub. Er fälschte
seinen
Urlaubsschein nach Leipzig und eilte nach Hause. Er war tief
erschüttert: „Ich
konnte mir damals nicht vorstellen, dass ich einmal seinen Tod
überwinden
würde.“1924 folgte Rosa Marie Bötticher ihrem Mann.
Ringelnatz sympathisierte
kurzfristig mit
der Novemberrevolution und wollte vor dem Arbeiter- und
Soldatenrat sprechen, doch weigerte
er sich, seine Offiziersmütze abzunehmen, und verlangte für seine
Mitarbeit
eine sofortige Beförderung in eine Führungsposition. Die Revolutionäre
verzichteten auf seine Mithilfe. Ringelnatz zog sich beleidigt zurück
und
beendete ein kriegsbegeistertes Drama (Der Flieger), das aber
ungedruckt
blieb und von keinem Theater angenommen wurde, da es nicht mehr in die
allgemeine Zeitstimmung passte. Zwei weitere Stücke (Die Bolschewisten.
Kein
ernstes Stückund Fäkalie) erlitten dasselbe Schicksal.
Ringelnatz erlebte ein entbehrungsreiches erstes Nachkriegsjahr voller
Kälte
und Hunger, zudem erblindete er durch die Spätfolgen einer Schlägerei
auf einem
Auge.
Im
Dezember 1919 verfasste er die ersten
Gedichte unter dem Pseudonym Joachim Ringelnatz. Er selbst
sagte, dieses Pseudonym habe keine
Bedeutung, dennoch gibt es Theorien, dass der Nachname entweder auf die
Ringelnatter verweist, „weil sie sich zu Wasser und zu Lande
wohlfühlt“ oder auf das von
Seeleuten Ringelnass genannte
Seepferdchen, das Ringelnatz oft zeichnete und dem er ein Gedicht
widmete. Der Vorname Joachim wird mit Ringelnatz’
lebenslanger Gläubigkeit in Verbindung gebracht (der Name bedeutet
„Gott möge
retten“).
Kabarettist,
Schriftsteller und Maler
(1920–1932)
1920 heiratete Ringelnatz die
fünfzehn
Jahre jüngere Lehrerin Leonharda Pieper, die
er Muschelkalk nannte. Dieser Kosename tauchte zum
ersten Mal in einem Briefgedicht auf, in dem Ringelnatz die Verlobte
„muschelverkalkte Perle“ nannte. Seine Frau wurde ihm zur
unentbehrlichen Assistentin bei all seinen
Publikationen. Die beiden zogen als Schwarzmieter in eine Münchner
Wohnung.
Zehn Jahre wohnten sie dort bis zu ihrem Umzug nach Berlin im Februar
1930. Von
ihrer beider Angst vor Ausweisung aus der Wohnung legt Ringelnatz’
Gedicht
„Angstgebet in Wohnungsnot“ (1923) Zeugnis ab. Das Paar war in
ständiger
Geldnot. Ringelnatz arbeitete schließlich aushilfsweise als Prüfer der
Postüberwachungsstelle in München und trat wieder
im Simplicissimus auf.
Ab Herbst 1920 hatte er erste
erfolgreiche
Auftritte im Berliner Kabarett Schall
und Rauch. Damit begann sein Leben als reisender
Vortragskünstler, das ihn mehrere Monate im Jahr auf Bühnen im gesamten
deutschsprachigen Raum brachte. (In Hotels gab er als Berufsbezeichnung
„Artist“ an.) Ringelnatz, der stets im Matrosenanzug auftrat, wurde
schnell
bekannt und musste bald Aufträge ablehnen.
1925 reiste er für drei Wochen
nach
Paris, wo er die Bekanntschaft von Jean
Cocteau und Jules
Pascin machte, dessen späterer Freitod ihn
erschütterte.
Ein Aufenthalt in London 1928
enttäuschte ihn.
Filmprojekte zerschlugen sich
oder waren
enttäuschend erfolglos. Es wurden jedoch 16 Schallplattenaufnahmen
realisiert,
und ab 1927 hatte Ringelnatz Auftritte im Rundfunk. Es erschienen seine
beiden
erfolgreichsten Gedichtsammlungen: Kuttel Daddeldu oder das
schlüpfrige
Leid und Turngedichte. Ringelnatz veröffentlichte nun fast
jedes Jahr Bücher, mit mehr oder weniger großem Erfolg. Die
Notwendigkeit
sparsam zu leben blieb jedoch. Ringelnatz und seine Frau konnten nie
finanziell
sorgenfrei leben. Das zum Überleben nötige ständige Reisen wurde für
Ringelnatz, der lebenslang gesundheitlich gefährdet war, zunehmend
strapaziös.
Er entwickelte allerdings eine große Liebe für das Fliegen (er war
jedoch kein
Pilot, wie öfter geschrieben wird).
Er
widmete sich intensiv der Malerei, vor
allem der in Aquarell- und Deckfarben. 1923 hatte er seine
erste erfolgreiche Auktion in der Galerie Flechtheim,
geleitet von Carl
Einstein. Weitere Ausstellungen im In- und Ausland
folgten. 1925 wurden die Bilder des Autodidakten auf der
Ausstellung der Akademie der Künste ausgestellt, zwei Gemälde
wurden verkauft.
Ringelnatz zog es aus München
fort, er
fühlte sich von der dortigen Presse schlecht behandelt und versprach
sich von
Berlin größere berufliche Möglichkeiten. Etabliert war er bereits in
Berliner
Kabarett- und Künstlerkreisen: Zu seinen Freunden und Bekannten zählten
nun Renée
Sintenis, Karl
Hofer, Kurt
Tucholsky,Claire
Waldoff, Otto Dix und Alfred
Flechtheim.
1929 mietete er eine Wohnung in
Berlin,
ab 1930 lebte Ringelnatz für immer dort.
1932 gastierte er zum letzten Mal
im Simplicissimus.
Im selben Jahr ging er als Schauspieler in seinem eigenen
Stück Die
Flasche mit einem Ensemble des Stadttheaters Nordhausen auf
Gastspielreise durch Deutschland.
Auftrittsverbote, Krankheit und
Tod
(1933–1934)
1933
erteilen die an die Macht
gekommenen Nationalsozialisten Ringelnatz Auftrittsverbote in
Hamburg und München. Der unpolitische
Ringelnatz hatte den Aufstieg der NSDAP lange nicht ernst
genommen. Noch
1930 schrieb er in einem Brief: „Der Hitler-Rummel lässt mich kalt.“
Nun wurde er in Dresden sogar von der Bühne geholt. Die meisten
seiner Bücher wurden beschlagnahmt und landeten auf den Scheiterhaufen
der Bücherverbrennungen. Ringelnatz und seine Frau verarmten
rasch, da die Bühnenauftritte die
Haupteinnahmequelle des Paares gewesen waren. Letzte Gastspiele in der
Schweiz
konnte Ringelnatz, nach großen Schwierigkeiten einen Pass zu erhalten,
noch
absolvieren. Erste Symptome der Tuberkulose, an der Ringelnatz
sterben sollte, traten auf. Ein letztes glückliches
Ereignis war die Feier zu seinem 50. Geburtstag, auf der seine
langjährigen Freunde Asta Nielsen und Paul
Wegener und sein Verleger (ab 1927) Ernst
Rowohlt Reden hielten.
1934 konnte Ringelnatz noch
Gastspiele in
Basel und Zürich absolvieren, dann brach die Krankheit endgültig aus.
Freunde
halfen dem nun fast völlig mittellosen Paar durch öffentliche Aufrufe
und
private Spendenaktionen, die Sanatoriumsaufenthalte zu bezahlen.
Ringelnatz
begann noch ein Prosawerk (Der Letzte Roman), das nur noch als Fragment
aus dem Nachlass erscheinen konnte.
Er
starb am 17. November in
seiner
Wohnung am Sachsenplatz (heute Rixplatz), beerdigt
wurde er auf dem Berliner Waldfriedhof an der
Heerstraße unter einer Grabplatte aus Muschelkalk, die
von Renée
Sintenis gestaltet wurde. Neun Personen
begleiteten den Sarg, man spielte sein Lieblingslied La
Paloma. Das Ehrengrab befindet sich im Feld 12-D-21.
Ehrungen
Noch
vor 1945 konnten, trotz Zensur, der
Nachlass und einzelne, privat herausgegebene Sammlungen veröffentlicht
werden.
Seit 1945 ist Ringelnatz’ Ruhm als Lyriker, und da nicht nur als
Verfasser
humoristischer Verse, stetig gewachsen. Zahlreiche Nachdrucke seiner
Werke
erschienen, Vertonungen wurden produziert, bekannte Schauspieler
wie Otto
Sander reisten und reisen mit
Ringelnatz-Programmen durch den deutschsprachigen Raum.
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Biografie: wikipedia.org
Bild 1: Joachim Ringelnatz, 1926 - Urheber:
Genja Jonas
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