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04.2
Biografie
Annette
von Droste-Hülshoff
Annette von
Droste-Hülshoff war
eine deutsche Schriftstellerin und Komponistin. Sie gilt als eine der
bedeutendsten deutschen Dichterinnen
Geboren am 10. 1. 1797
auf Schloß Hülshoff bei Münster/Westfalen,
gestorben am 24. 5. 1848
in Meersburg/Bodensee.
_____________________________________________________
Droste-Hülshoff,
Annette, Freifrau von D.-H., das bedeutendste lyrische Talent deutscher
Zunge unter den Dichterinnen dieses Jahrhunderts, wurde auf dem alten
Stammschloss ihrer Familie (Hülshoff, in der Nähe von
Münster in Westfalen) am 10. Jan. 1797 geboren und hat dort,
unter ziemlich strenger Zucht, gelebt, bis nach des Vaters Tode die
Mutter den Wittwensitz Ruschhaus bezog. Ihre, von Hauslehrern
geleitete, Erziehung hatte einen wissenschaftlichen Anstrich, sodass
Annettens Kenntnisse nicht bloß in der Mathematik ziemlich
über das gewöhnliche Maß hinausgingen,
sondern auch das Latein, noch in späteren Jahren, ihrem
Gedächtnis treu blieb und ihr bei ihrer Sammelneigung
für Münzen, Gemmen etc. gute Dienste leistete. Neben
einem früh sich regenden, durch eine wahrhafte Lesewut
genährten poetischen Talent (Klopstock, Salis, Matthisson und
Hölty waren zunächst die Lieblinge) entwickelte sich
auch eine bedeutende musikalische Begabung, welche in späteren
Jahren sich im Drang zu selbstständiger Liederkomposition
offenbarte.
Nach
dem Tode des Vaters, welchem bald auch ihr Bruder nachfolgte, schwer
darniedergebeugt und auch körperlich leidend, sah sich Annette
gezwungen, eine Luftveränderung und auf Reisen Erholung zu
suchen. Vorzüglich waren es die rheinischen Städte,
welche sie fesselten, und Koblenz, Bonn und Köln wurden
für längere Zeit abwechselnd ihre Absteigequartiere.
Überall wurden, wenn auch nicht viele, so doch bedeutsame und
fördernde Bekanntschaften angeknüpft (in Bonn
besonders mit Johanna Schopenhauer und deren Tochter, ferner mit ihrem
Verwandten, dem bekannten Rechtslehrer Clemens v. Droste); unter den
großen Verstorbenen waren es besonders Walter Scott, Byron
und Washington Irving, in deren geistige Gesellschaft sie sich eifrig
und hingebend einlebte; ihre erzählenden Gedichte
(„Das Hospiz auf dem St. Bernhard“, „Die
Schlacht am Loenerbruch“, „Des Arztes
Vermächtnis“, „Der Spiritus familiaris des
Rosstäuschers“) tragen deutliche Spuren dieses
Umgangs, wenn schon das innerste geistige Gepräge, gleichsam
das Mark der Empfindung, darin der Dichterin ganzes und volles Eigentum
ist. Dass aber selbst bei stofflicher Entlehnung Originalität
möglich ist, zumeist bei einer so durchaus
eigenwüchsigen Natur, wie sie unsere Dichterin
besaß, beweist die Erzählung von „Des
Arztes Vermächtnis“, welche mehr oder weniger
bloße lokale und dadurch bedingte anderweitige Umbildung der
Schelling’schen Geschichte vom „Pfarrer von
Drottning auf Seeland“ ist. Nur schüchtern und auf
das Drängen ihrer Freunde willigte sie in die Herausgabe ihrer
„Gedichte“ (Cotta 1837), deren Erfolg indes,
weniger ihre eigenen, als die Erwartungen ihrer
„Stürmer und Dränger“
unbefriedigt ließ. Gerade die ungewöhnliche
Originalität, wodurch sich diese Schöpfungen vor
anderen und hauptsächlich vor solchen von Frauenhand
auszeichneten, behagte dem großen Publikum weniger; sie
konnten ihrer ganzen Art nach bloß den
verständnisvollen, feinfühlenden Naturen gefallen,
welche gern mit einer groß angelegten Menschenseele in
geistige Gemeinschaft treten und dabei einen Einsatz eigener geistiger
Anstrengung nicht scheuen. Die schöpferische Kraft der
Dichterin geht durchaus nach der Tiefe, nicht nach der Breite, eine
fruchtbare Ader, im gewöhnlichen Sinn, ist ihr nicht eigen,
dafür aber ist ihr Schaffen ein höchst intensives. L.
Schücking’s „Malerisches und romantisches
Westfalen“ verdankt, nach des Verfassers eigenem
Geständnis, der Mitwirkung unserer Dichterin einen
großen Teil seines Inhalts; sonst ist neben den
(später sehr vermehrten) „Gedichten“, dem
„Geistlichen Jahr“ und den (posthumen)
„Letzten Gaben“ von der Feder der Verfasserin
nichts bekannt geworden. Die Fragmente, welche L. Schücking
(in seinem Buch Annette v. Droste, ein Lebensbild) von einem
Charakterbild westfälischen Familienlebens, aus dem
literarischen Nachlasse der Verstorbenen, veröffentlicht hat,
lassen sehr bedauern, dass ihr die Vollendung desselben nicht
vergönnt war.
Seit
Anfang der 40er Jahre dieses Jahrhunderts finden wir das
Fräulein beinah häuslich niedergelassen, wenigstens
einen großen Teil des Jahres angesiedelt auf dem
altehrwürdigen Sitz ihres Schwagers, des rühmlichst
bekannten Freiherrn v. Laßberg, auf Schloss Meersburg am
Bodensee, im ganzen zwar (hauptsächlich aus
körperlichen Gründen) einsiedlerischen Neigungen
huldigend; aber bei der großartig gch
abzuschließen. Im
Winter des Jahres 1847 nahm das seit Jahren in ihr schlummerndes
Brustübel einen bedenklichen Karakter an; nach einer nur
anscheinenden Besserung brachte ihr der Frühling des folgenden
Jahres den Tod; sie verschied den 24. Mai 1848 an einem
Herzschlage.
Annette
v. D. ist als Schriftstellerin eine Kernnatur durch und durch, in
welcher, bei echt weiblichen Gefühlen, dennoch nicht in erster
Linie diejenigen Früchte unserm Blicke begegnen, die wir
zuallererst bei der weiblichen Natur zu finden gewohnt sind. Bei ihr
gibt es nichts Verschwommenes, Gefühlsseliges und Unfertiges,
ihr Charakter ist Schärfe und Entschiedenheit. Ihre
Lebensanschauungen scheinen vom Nervenleben des Weibes durchaus nicht
influenziert; eigentümlich, ja oft hart und sogar schroff,
mögen sie manchen Leser und manche Leserin fremd anmuten, aber
die Einsichtsvollen unter diesen müssen doch das Geniale des
Urteils, die Gedankenreife und den klaren, alle
Lebensverhältnisse mit dichterischer Intuition durchdringenden
Blick herausfühlen und den Eindruck erhalten, dass sie, sie
mögen nun beistimmen oder widersprechen, im Banne einer
mächtigen Individualität stehen. Beistimmung darf die
Dichterin allerdings nicht immer und von Allen hoffen, weder
für ihre religiösen Dogmen – sie ist nach
heftigen Kämpfen ihrer männlich
selbstständigen, frei urteilenden Seele vom Zweifel zu den
Überlieferungen des strengen Katholizismus
zurückgekehrt – noch für ihre politischen
und sozialen Prinzipien – denn auch diese zieht sie ohne
Scheu in den Bereich ihres poetischen Sinnens und Schaffens, und zwar
sind ihre Anschauungen einseitig-konservativ, in Standesvorurteilen
befangen. Auf diesen Gebieten wird man übrigens die
Größe einer dichterischen Persönlichkeit,
zumeist einer Frau, nicht suchen wollen, obschon gerade das
„Geistliche Jahr“ (ein Zyklus von Gedichten auf
jeden Sonntag und Festtag des katholischen Kirchenjahres) wahre Perlen
der Poesie enthält. Wahrhaft groß und eigenartig ist
die Dichterin in den Naturschilderungen, besonders wo die
dämonische, unheimliche Seite des Naturlebens vorliegt,
gleichviel, ob des menschlichen oder des vegetativen, ob Gespensterspuk
zu schildern oder das Unheil, das auf der düstern Heide
lauert. Ihr Blick dringt, in beiden Kreisen, bis ins Einzelne mit einer
bewunderungswürdig scharfen konkreten Beobachtungsgabe, die
das Individuelle echt poetisch herausfindet. Keine Spur von einer
Verflüchtigung ins Abstrakte trübt diese lebensvollen
Bilder und Bildchen, welche nur in einem die Erscheinungen der Natur
als lebenden Prozess anschauenden und fühlenden Sinne sich
gestalten können. Hand in Hand mit dieser Empfindung geht nun
auch die Gabe des richtigen, den Kern treffenden Ausdrucks. Diese
Gedankenfrische bedarf nicht des Schmucks und der Schminke der
Rhetorik; sie empfiehlt sich und wirkt unmittelbar durch sich selber
und ihre eigene Schönheit, die Schönheit ist aber
hier das Richtige, welches sofort und ohne Zutat die wahre Vorstellung
des Gegenständlichen vermittelt, das Individuelle. Es
gehört aber leider bei den herrschenden Ansichten von
poetischer Diktion schon eine gewisse Bildung dazu, um in jener
kontrastierenden Art einen Vorzug zu finden.
Werke:
„Gedichte von A. E. v. D.-H.“ (sic!),
Münster 1837; dieselben vielfach vermehrt bei Cotta, Stuttgart
1844; „Das geistliche Jahr“, Stuttgart 1851 (2.
Aufl. 1857); „Letzte Gaben“, Hannover bei
Rümpler 1860.
oben
___________________________
Biografie von Jacob
Achilles Mähly: Droste zu Hülshoff,
Annette Freiin
von. In
Allgemeine Deutsche Biographie (ADB).
Band 5. Duncker &
Humblot, Leipzig 1877, S. 415–417.
wikisource
Logo 242: "Weizenfeld mit Krähen",
Vincent van Gogh,
EJ: 1890, gemeinfrei
wikimedia
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