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Literatur


04.1


Selbstbekenntnis


Autobiografisches von Heinrich Lersch



Der Dichter über sich selbst

Als ich ums Jahr 1889 auf die Welt kam, sah ich, wie ein kleiner, rußgeschwärzter Mann die Fäuste vor einem ledernen Schurzfell geballt hielt und mich mit groß verwunderten Augen ansah. Er nahm mich aus den Armen der Mutter und sagte: „Na, Marie, zieh ihn erst mal groß! Dann werd ich ihm wohl die richtigen Kenntnisse beibringen!“ Schwupps, war er weg!
Als er wieder in die Werkstatt kam, fluchten die Gesellen: „Wo habt Ihr ihn“ Dä Jung soll doch Kesselschmied werden! Und den wollt Ihr bei den Weibern lassen! Her mit ihm, der gehört zu uns! Er wird zuerst mit Feuer getauft und kriegt den Hammersegen!“ Der Vater holte mich. Als er in die Schmiede kam, hatten die Gesellen schon ein schwer Stück Eisen heiß gemacht; er wickelte mich aus dem Schurzfell heraus und reichte mich rund. Die drei Männer nahmen die größten Hämmer, gaben dem Vater in die rechte Hand den Barren und legten in seinen linken Arm das Kind. Mit furchtbaren Schlägen wichsten die drei Gesellen auf das weiß glühende Eisen, dass die Funken im Feuerregen umherspritzten. Dann sprang der Vater wie besessen durch die Werkstatt: „Hohjeh, nicht gemuckst und nicht geschrien“ Hojeh“ Das wird ein Schmied! Ein Kesselschmied, der Junge gehört zu uns!“

Nachdem sie einige Krüge Wacholder getrunken hatten, waren die Feierlichkeiten zu Ende.

Trotz aller Liebe wurde ich gleich krank und jedes Jahr hörte ich ein dutzendmal: „Nee, aus dem Jungen wird nix, den kriegt Ihr nicht groß!“ Mit sechs Jahren hatte ich zwölf Krankheiten überstanden und in der Volksschule war ich noch immer eine Spanne kleiner als der Allerkleinste. Die Kameraden wollten mich mit Püffen und Fußtritten groß kriegen, - half auch nicht. Die Lernerei schlug mir jede Stunde wie ein Brett auf den Kopf -, wie konnte ich da hochkommen! Doch die Kesselschmiede hatten ihren Spaß an mir: „Der Junge gehört zu uns, so ein Dotz fehlt uns grade, der kann durch die kleinsten Mannlöcher kriechen und in den engsten Feuerkisten noch mit dem größten Hammer schlagen!“

Mit zehn Jahren ging ich jede freie Stunde in die Werkstatt und konnte eher einen Meißel schmieden als einen Aufsatz schreiben. Ich hatte bloß einen Wunsch, groß und stark zu werden, damit ich meine Freunde ordentlich verbimsen konnte. Dennoch blieb ich ein Dreikäsehoch und war sehr traurig darüber. In diesem Elend fing ich zu dichten an. Aber die Verse waren nicht verzweifelt, wie mein Leben mir schien. Trotz und Mut, Jubel und Stolz füllten die ersten plattdeutschen Gedichte, - mir rief Feuer und Amboss, Hammer und Zange zu: „Junge, du gehörst zu uns! Die Arbeit macht dich zu einem vollwertigen Kerl! Stolze Arbeiter haben stolze Kameraden!“

Solche Töne klangen, wenn ich dichtete, aus meiner Seele. Einmal versaute ich mir in einer Fabrik die Augen und blieb fast ein ganzes Jahr blind. Dann ging ich auf die Walze in die Welt hinaus: jetzt aber alles Schöne für mich! Schön die Bauwerke und Kunstwerke, schön die Natur, in Italien und Flandern, in Nord und Süd. Es war mir, als riefen aus Bild und Buch, von der Bühne und aus der Musik die Künstler zu: „Her mit ihm! Der Junge gehört zu uns!“

In Wien wurden meine ersten Gedichte gedruckt: „Von Einem, der Kessel und Strophen schmiedet!“ hieß die Überschrift, und ein Vers fing an: „Dann kam der Krieg und meine Jugend schien schon zu Ende, - die Soldaten riefen: „Der Junge gehört zu uns! Her mit ihm!

Zum Abschied schrieb ich der Mutter einen gereimten Gruß in ihr Gebetbuch: „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen!“

Als Ersatzreservist mit R. J. R. 64 zum Westen: Schrieb ich Gedichte als Tagebuch. Wurde 1917 als dauernd unbrauchbar entlassen, machte mich als Kesselschmied selbstständig, heiratete, bekam Kinder, schaffte sieben Jahre in den Fabriken.

1924 begann ich, krank und erwerbslos, noch einmal zu dichten, als Protest und Testament, - in Hass und Hohn, Jubel und Trotz, Hoffnung und Glaube schrieb ich mein Leben auf: „Mensch im Eisen“. Seit 1924 bin ich Schriftsteller. Lebte, um gesund zu werden, in der Schweiz und in Italien. Schrieb noch sieben Bücher. Jeden Winter reiste ich, so weit die deutsche Zunge klingt, von Kopenhagen bis Klagenfurt, von Kattowitz bis Amsterdam. Die deutsche Jugend holte mich zu Vorlesungen. Alles, was nicht kastenmäßig verkalkt und klassenmäßig vernebelt war, spürte den deutschen Tritt in meinen Gesängen, die deutsche Seele in meinen Liedern. Aus den Industriestädten und Werkplätzen riefen die jungen Arbeiter: Her mit dir! Du gehörst zu uns!“

Jetzt schaffen meine Brüder allein in der Kesselschmiede in M.-Gladbach. Ich wohne auf dem Land: Zwischen Ackerfeld und Weinberg. Dort wurde mir klar, dass ich an den Schmiedefeuern keine rechte Jugend gehabt habe. Drum bin ich, ehemaliger Gefreiter, Jungzugführer im Jungvolk und Stammschulungsleiter geworden. Der Führer unseres Stammes ist meine Junge, der einmal „Manni“ hieß.

In der Hitlerjugend zu arbeiten, heißt, in drei Reichen zu leben. Den Kampf der Vergangenheit in der Gegenwart für die Zukunft fruchtbar zu machen. Alles in allem: Das Leben von 1889 bis 1936 war ein wunderbares Leben, weil es der Weg des Volkes aus dem Dunkel in das Helle war.

 
Bodendorf (Ahr) Heinrich Lersch

 

Wenige Tage, nachdem der Dichter dieses Selbstbekenntnis geschrieben hatte, ist er am 18. Juni 1936 in Remagen gestorben.


Bekenntnis

Ich glaub an Deutschland wie an Gott!
Wo Gott, so lieb ich dich!
Mein großes Volk, wie bitterlich
Trugst du des Schicksals Spott!
Du trotztest, ob das Herz dir springt,
Du fühlst, dass dir dein Kampf gelingt.
Denn, Deutscher, horch! Dein Herz, das singt:
„Ich glaub an Deutschland wie an Gott!“

 Ich glaub an Deutschland wie an Gott!
Er gab uns: Mensch zu sein!
Und sprach: „Kämpf um das Erbe dein!
Ich mach dich nicht zum Spott!“
Vor ihm sind alle gleich,
Reich ist ihm arm und arm ist reich,
Deutschland ist arm und reich zugleich!
"Ich glaub an Deutschland wie an Gott!"

 Ich glaub an Deutschland wie an Gott!
Von Deutschland lass ich nicht!
Und naht für uns das Weltgericht:
Gott ist in uns, in uns ist Gott!
Kämpfend erfüll ich sein Gebot;
Trug Deutschland Glück, trag Deutschlands Not!
Und dafür geh ich in den Tod:
"Ich glaub an Deutschland wie an Gott!"


Biografie

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"Selbstbekenntnis"  aus: Heinrich Lersch, Deutschland muss leben,
Eugen Diedrichs Verlag 1935, Jena, Deutsche Reihe, Bd. 31, Mensch und Arbeit,
Druck der Spame A. G. in Leipzig, Printed in Germany 1940
Reprint: archiv.org

Logo 326: "Létang de Ville d’Avray", Jean-Baptiste Camille Corot, 1860-63,
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Bild:  Portrait Heinrich Lersch
Quelle
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