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Literatur



04.7


Gedichte
Jahreswechsel

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 Der letzte Tag im Jahre

Der letzte Tag im Jahre
Sei nicht mein letztes Glück;
Er kehre vor der Bahre
Noch oft mir froh zurück.

 Sei freundlich, Herr Sylvester;
Lass alte Lust bestehn,
Und dich von mir, mein Bester,
Recht oft noch wiedersehn.

Hilf oft das Jahr mir schließen,
Nur an Erfahrung alt;
Lass vollends mich genießen
Den ird’schen Aufenthalt.

Wert ist wohl doch das Leben
Der Bitte, dass es sei,
Und dass bei Ros’ und Reben
Man seiner Bahn sich freu’.

Mag, wer da wolle, klagen
Ob Erden-Unbestand;
Die Welt mit ihren Plagen
Ist doch ein schönes Land.

Drauf tanzen und stets scherzen
Kann freilich nur das Glück;
Doch Lust und Lieb’ im Herzen,
Macht gute Tanzmusik.

 Man muss nur darauf hören,
Und tanzen, wenn sie tönt,
Unbillig nicht begehren,
Dass stets der Tanzsaal dröhnt.

O, lehre mich, Sylvester,
Heut an des Jahres Schluss,
Wie fester, immer fester
Die Zeit man halten muss.

Das Glück, sich froh zu schicken
In Zeit und Lust und Not,
Froh in die Welt zu blicken,
Und wär’s auch in den Tod.

Mein letzter Tag im Leben,
Er komme, wenn er mag;
Wer wollte vor ihm beben;
Er komm’ als Freudentag.

Johann Karl Wilhelmn Geisheim

 Sylvester an die Frauen

Schlechte Zeiten, schlechte Zeiten!
Also hört von allen Seiten
Man wohl täglich kläglich schrei’n.
In der Stadt und auf dem Lande,
Überall, ’s ist eine Schande!
Will kein Mensch zufrieden sein.

Was, ihr Engel dieser Erden,
Soll aus diesem Jammer werden?
Macht doch geltend euer Reich!
Ihr ja seid genannt die Schönen;
Alles Übel zu versöhnen,
Übertrug der Himmel euch.

Schlaget doch, ihr Lieben, Holden,
Flugs mit dem Pantoffel golden
In das Jammertal hinein;
Denn ’s gereicht euch nicht zur Ehre,
Wenn die Männer über Schwere,
Über Druck der Zeiten schrein.

Und von allen Potentaten
In der Erde weiter Staaten
Seid die mächtigsten doch ihr;
Gegen euch vermag ein König
Selber doch nur herzlich wenig:
Herrscht drum weise für und für.
 Alle Grillen, alle Falten
Könnt zu Freuden ihr gestalten,
Wenn ihr gut den Zepter führt;
In des Hauses Heiligtume
Blüht des wahren Glückes Blume,
Der zu pflegen euch gebührt.
Leicht verwandelt der Pantoffel
In Ambrosia die Kartoffel,
Wenn er sanft und freundlich fällt;
Doch wenn er wie Ketten rasselt
Und wie Hagelwetter prasselt,
Dann erstirbt die schöne Welt.

Lasset euch den Ruhm nicht rauben,
Raubt den Männern nicht den Glauben,
Dass ihr Gottes Engel seid,
Die er, dass die schöne Erde
Ihnen nicht zur Öde werde,
Hat gesandt in bange Zeit.

 Johann Karl Wilhelm Geisheim


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 Sylvesterlitanei

Auf, ihr Liedertafler, Auf- und Niederstaffler
Auf der Töne Leiter, staffelt schön und heiter
In das Jahr!

Nehmet mit ins Neue, Kitt der alten Treue,
Weißen Wein und roten, und was sonst von Noten,
Hold uns war.

Unser Herr Direktor, Korrektor, Protektor,
Roher Kehlen Rektor, froher Seelen Hektor,
Lebe hoch!

Flugs noch Fünfzig schreib’ er, und fuchsmunter bleib’ er;
Kräftig, wie die Rebe, strebe, hebe, lebe
 Er uns hoch!

Doch zum Glück des Jahres braucht man ein Stück Bares.
Unser Herr Schatzmeister schütz’ den Platz der Geister
Durch sein Gold.

Dankbar sind die Musen; klanggesinnt im Busen,
Bau er trauter Meister, denn Baumeister heißt er,
’s Jahr uns hold.

Schreibemeister, schreibe, dass der Geist uns bleibe,
Dass im alten Walten wir uns halten, schalten
Liedgetreu.

So im neuen Jahre froh sich offenbare
Reiz am Reich’ der Lieder, gleich dem Jahr’ uns wieder
Fröhlich neu.

Uns zuletzt zu letzen, um in Schwung zu setzen
Unsre Musengaben, müssen wir auch haben
 Schöne Welt.

Gern darum, ihr Schönen, Kern zu unsern Tönen,
Unser Werk zu krönen, bleibet den Kamönen
Treu gesellt.

 Johann Karl Wilhelm Geisheim

 Zum neuen Jahre nach alter Weise

Liebes Neujahr, weißt du was?
Komm und kränze Geist und Glas.
Ist drinn Wein, soll’s lieb uns sein,
Ist drinn Wasser, mach’s zu Wein.

 Solche Wunder musst du tun,
Sollen alle Klagen ruhn;
Lehr’ die Welt, wie Heiterkeit
Meister wird der schlechten Zeit.

Sei, wie Jungfer Lieschen, hold,
Nimm uns All’ in Minnesold;
Lache doch, wenn’s Schicksal spricht:
Sieh mich an, und lache nicht.

Wer ’ne Jungfer Lieschen hat,
Kriege nie ihr Mäulchen satt;
Deine Mutter Lies’ auch sei
Lieb und hold dir, wie der Mai.

Sehn wir in die Zeit hinaus,
Ziehe nicht die Stirn sich kraus.
Neu bald kommt das grüne Gras,
Lieschen, klingt’s dann, weißt du was?

Drum, dieweil ihr’s annoch singt,
Und wohl auch manch Glas euch klingt,
Haltet grün der Hoffnung Mut
Seid der Welt, den Menschen gut

 Arges viel klebt freilich d’ran;
Bessre d’ran, wer bessern kann.
Täte jeder Tadler recht,
Um die Welt dann ständ’s nicht schlecht.

Macht euch doch das Leben leicht,
Freundlich euch die Hände reicht,
Hänschen, Lieschen, wisst ihr was,
Eh’ euch deckt das grüne Gras.

 Johann Karl Wilhelm Geisheim

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Gedicht: "Der letzte Tag im Jahr", Johann Karl
Wilhelm Geisheim, aus: Gedichte,
Zweites Bändchen, S. 239-240, ED: 1839, Verlag
Josef Max und Kop., Breslau

Wikisource

Gedicht: "Sylvester an die Frauen", Johann
Karl Wilhelm Geisheim, aus: Gedichte,
Zweites Bändchen, S. 241-242, ED: 1839, Verlag
Josef Max und Kop., Breslau

Wikisource

Gedicht: "Sylvesterlitanei", Johann Karl Wilhelm
Geisheim, aus: Gedichte, Zweites Bändchen,
S. 243-244, ED: 1839, Verlag Josef Max und Kop.,
Breslau

Wikisource

Gedicht: "Zum neuen Jahr in alter Weise", Johann Karl
Wilhem Geisheim, aus: Gedichte,
Zweites Bändchen, S. 251-252, ED: 1839, Verlag Josef
Max und Kop., Breslau

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