Gedichte
Jahreswechsel
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Der
letzte Tag im Jahre
Der
letzte Tag im Jahre
Sei
nicht mein letztes Glück;
Er
kehre vor der Bahre
Noch
oft mir froh zurück.
Sei
freundlich, Herr Sylvester;
Lass
alte Lust bestehn,
Und
dich von mir, mein Bester,
Recht
oft noch wiedersehn.
Hilf
oft das Jahr mir schließen,
Nur
an Erfahrung alt;
Lass
vollends mich genießen
Den
ird’schen Aufenthalt.
Wert
ist wohl doch das Leben
Der
Bitte, dass es sei,
Und
dass bei Ros’ und Reben
Man
seiner Bahn sich freu’.
Mag,
wer da wolle, klagen
Ob
Erden-Unbestand;
Die
Welt mit ihren Plagen
Ist
doch ein schönes Land.
Drauf
tanzen und stets scherzen
Kann
freilich nur das Glück;
Doch
Lust und Lieb’ im Herzen,
Macht
gute Tanzmusik.
Man
muss nur darauf hören,
Und
tanzen, wenn sie tönt,
Unbillig
nicht begehren,
Dass
stets der Tanzsaal dröhnt.
O,
lehre mich, Sylvester,
Heut
an des Jahres Schluss,
Wie
fester, immer fester
Die
Zeit man halten muss.
Das
Glück, sich froh zu schicken
In
Zeit und Lust und Not,
Froh
in die Welt zu blicken,
Und
wär’s auch in den Tod.
Mein
letzter Tag im Leben,
Er
komme, wenn er mag;
Wer
wollte vor ihm beben;
Er
komm’ als Freudentag.
Johann
Karl
Wilhelmn Geisheim
Schlechte Zeiten, schlechte
Zeiten!
Also hört von
allen Seiten
Man wohl
täglich kläglich schrei’n.
In der Stadt
und auf dem Lande,
Überall, ’s
ist eine Schande!
Will
kein Mensch zufrieden sein.
Was, ihr
Engel dieser Erden,
Soll aus
diesem Jammer werden?
Macht doch
geltend euer Reich!
Ihr ja seid
genannt die Schönen;
Alles
Übel zu versöhnen,
Übertrug der
Himmel euch.
Schlaget
doch, ihr Lieben, Holden,
Flugs mit dem
Pantoffel golden
In das
Jammertal hinein;
Denn
’s gereicht euch nicht zur Ehre,
Wenn die
Männer über Schwere,
Über Druck
der Zeiten schrein.
Und von allen
Potentaten
In der Erde
weiter Staaten
Seid
die mächtigsten doch ihr;
Gegen euch
vermag ein König
Selber doch
nur herzlich wenig:
Herrscht drum
weise für und für.
Alle
Grillen, alle Falten
Könnt
zu Freuden ihr gestalten,
Wenn
ihr gut den Zepter führt;
In
des Hauses Heiligtume
Blüht
des wahren Glückes Blume,
Der
zu pflegen euch gebührt.
Leicht
verwandelt der Pantoffel
In
Ambrosia die Kartoffel,
Wenn
er sanft und freundlich fällt;
Doch
wenn er wie Ketten rasselt
Und
wie Hagelwetter prasselt,
Dann
erstirbt die schöne Welt.
Lasset
euch den Ruhm nicht rauben,
Raubt
den Männern nicht den Glauben,
Dass
ihr Gottes Engel seid,
Die
er, dass die schöne Erde
Ihnen
nicht zur Öde werde,
Hat
gesandt in bange Zeit.
Johann
Karl Wilhelm Geisheim
Auf,
ihr Liedertafler, Auf- und Niederstaffler
Auf
der Töne Leiter, staffelt schön und heiter
In
das Jahr!
Nehmet
mit ins Neue, Kitt der alten Treue,
Weißen
Wein und roten, und was sonst von Noten,
Hold
uns war.
Unser
Herr Direktor, Korrektor, Protektor,
Roher
Kehlen Rektor, froher Seelen Hektor,
Lebe
hoch!
Flugs
noch
Fünfzig schreib’ er, und fuchsmunter bleib’ er;
Kräftig,
wie die Rebe, strebe, hebe, lebe
Er
uns hoch!
Doch
zum Glück des Jahres braucht man ein Stück Bares.
Unser
Herr Schatzmeister schütz’ den Platz der Geister
Durch
sein Gold.
Dankbar
sind die Musen; klanggesinnt im Busen,
Bau
er trauter Meister, denn Baumeister heißt er,
’s
Jahr uns hold.
Schreibemeister,
schreibe, dass der Geist uns bleibe,
Dass
im alten Walten wir uns halten, schalten
Liedgetreu.
So
im neuen Jahre froh sich offenbare
Reiz
am Reich’ der Lieder, gleich dem Jahr’ uns wieder
Fröhlich
neu.
Uns
zuletzt
zu letzen, um in Schwung zu setzen
Unsre
Musengaben, müssen wir auch haben
Schöne
Welt.
Gern
darum, ihr Schönen, Kern zu unsern Tönen,
Unser
Werk zu krönen, bleibet den Kamönen
Treu
gesellt.
Johann
Karl Wilhelm Geisheim
Zum
neuen Jahre nach alter Weise
Liebes
Neujahr, weißt du was?
Komm
und kränze Geist und Glas.
Ist
drinn Wein, soll’s lieb uns sein,
Ist
drinn Wasser, mach’s zu Wein.
Solche
Wunder musst du tun,
Sollen
alle Klagen ruhn;
Lehr’
die Welt, wie Heiterkeit
Meister
wird der schlechten Zeit.
Sei,
wie Jungfer Lieschen, hold,
Nimm
uns All’ in Minnesold;
Lache doch,
wenn’s Schicksal spricht:
Sieh
mich an, und lache nicht.
Wer
’ne Jungfer Lieschen hat,
Kriege
nie ihr Mäulchen satt;
Deine
Mutter Lies’ auch sei
Lieb
und hold dir, wie der Mai.
Sehn
wir in die Zeit hinaus,
Ziehe
nicht die Stirn sich kraus.
Neu
bald kommt das grüne Gras,
Lieschen,
klingt’s dann, weißt du was?
Drum,
dieweil ihr’s annoch singt,
Und
wohl auch manch Glas euch klingt,
Haltet
grün der Hoffnung Mut
Seid
der Welt, den Menschen gut
Arges
viel klebt freilich d’ran;
Bessre
d’ran, wer bessern kann.
Täte
jeder Tadler recht,
Um
die Welt dann ständ’s nicht schlecht.
Macht
euch doch das Leben leicht,
Freundlich
euch die Hände reicht,
Hänschen,
Lieschen, wisst ihr was,
Eh’
euch deckt das grüne Gras.
Johann
Karl Wilhelm Geisheim
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Gedicht:
"Der letzte Tag im Jahr", Johann Karl
Wilhelm Geisheim, aus:
Gedichte,
Zweites Bändchen, S. 239-240, ED: 1839, Verlag
Josef Max und Kop.,
Breslau
Wikisource
Gedicht:
"Sylvester an die Frauen",
Johann
Karl Wilhelm Geisheim,
aus: Gedichte,
Zweites Bändchen, S. 241-242, ED: 1839, Verlag
Josef Max und
Kop., Breslau
Wikisource
Gedicht:
"Sylvesterlitanei", Johann Karl
Wilhelm
Geisheim,
aus: Gedichte,
Zweites Bändchen,
S. 243-244, ED: 1839, Verlag Josef Max und Kop.,
Breslau
Wikisource
Gedicht:
"Zum neuen Jahr in alter
Weise", Johann Karl
Wilhem Geisheim, aus:
Gedichte,
Zweites Bändchen, S. 251-252, ED: 1839, Verlag Josef
Max und Kop.,
Breslau
Wikisource
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