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Literatur


04.7


Gedichte


Frühling

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 Der Lenz ist da!

Das Lenzsymptom zeigt sich zuerst beim Hunde,
dann im Kalender und dann in der Luft,
und endlich hüllt auch Fräulein Adelgunde
  in die frischgewaschene Frühlingskluft.

Ach ja, der Mensch! Was will er nur vom Lenze?
Ist er denn nicht das ganze Jahr in Brunst?
Doch seine Triebe kennen keine Grenze –
Dies Uhrwerk hat der liebe Gott verhunzt.

Der Vorgang ist in jedem Jahr derselbe:
man schwelgt, wo man nur züchtig beten sollt,
und man zerdrückt dem Heiligtum das gelbe
geblümte Kleid – ja, hat das Gott gewollt?

Die ganze Fauna treibt es immer wieder:
Da ist ein Spitz und eine Pudelmaid –
die feine Dame senkt die Augenlider,
der Arbeitsmann hingegen scheint voll Neid.

Durch rauh Gebrüll läßt sich das Paar nicht stören,
ein Fußtritt trifft den armen Romeo –
mich deucht, hier sollten zwei sich nicht gehören …
Und das geht alle, alle Jahre so.

Komm, Mutter, reich mir meine Mandoline,
stell mir den Kaffee auf den Küchentritt. –
Schon dröhnt mein Baß: Sabine, bine, bine …
Was will man tun? Man macht es schließlich mit.

Kurt Tucholsky


 Entzücken im Frühlinge

 Es grünt das Feld,
 Es blüht die Haide,
 Und junge Freude
 Weht durch die Welt.

Es glänzt mir das Auge, es schwillt mir die Brust
Vor Lust, vor Lust.

 Ein Sehnen dringt
 Mir durch die Seele,
 Wenn Philomele
 Im Strauche singt.

Es glänzt mir das Auge, es pocht mir das Herz
Vor Schmerz, vor Schmerz.

 Und diese Lust,
 Und diese Schmerzen,
 In meinem Herzen,
 In meiner Brust,

Sie heben vereint von der Erde Plan
 Mich himmelan.

Carl Streckfuß


 Frühlingsgruß

An des Winters Nebelgrenze
Seid gegrüßt vom jungen Lenze
 In der alten lieben Welt!
Freut Euch, daß im festen Kreise

Seiner ew’gen Feierweise
Wieder er den Einzug hält!
Wie der Geister Drang auch ringe,
Bleibt doch fest im Kranz der Dinge
Uns das Ewige gestellt.

Da noch Winterstürme drohten,
Wieder sind’s die treuen Boten.
Die der Lenz zu uns gesandt:
Hoch ob Firn- und Wogenhügeln
Eilen auf der Sehnsucht Flügeln
    
Schon die Schwalben in das Land,
Und zum Trotz dem kalten Hauche
Bricht die Blüth’ an Baum und Strauche
Grüßend ihrer Knospen Rand.

Also wird es ewig bleiben,
Wie der Menschheit rastlos Treiben
Auch nach fernen Zielen ringt,
Wie sie auch den Blitzesfunken,
Da nun Furcht und Wahn gesunken,
Kühn in ihre Dienste zwingt,

Daß, wo Blüth’ und Schwalbe locken,
Er im Nu durch Dräht’ und Glocken
Botschaft fernen Völkern bringt.
Endlos reißt im Wandelleben
Fort den Menschengeist das Streben,

Zu bewält’gen Blitz und Erz –
Endlos – bis zur Nebelgrenze! –
Ohne Wandel nah’n die Lenze,
In dem Schooße Luft und Schmerz.
Könntest, Schwalben gleich und Blüthen,

Du erfrischen und behüten,
Lenz, doch auch – das Menschenherz!

Friedrich Hofmann


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Textgrundlage: „Der Lenz ist da!“, Kurt Tucholsky, aus: Fromme Gesänge,
S. 69, ED: 1919; Verlag Felix Lehmann, EO: Charlottenburg
wikisource.org

Textgrundlage:
„Entzücken im Frühlinge“, Carl Streckfuß, aus Gedichte,
S. 45. 1. Auflage, ED: 1804, Verlag: J. V. Degen, EO: Wien
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Textgrundlage:
„Frühlingsgruß“, Friedrich Hofmann, aus: Die Gartenlaube,
Heft 14, S. 226, Herausgeber: Adolf Kröner, ED: 1878, EO: Leipzig,
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger
wikisource.org

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