lifedays-seite

moment in time

 
 
Literatur


04.7



Gedichte - April

_____________________


 April

Wie der Südwind pfeift,
In den Dornbusch greift,
Der vor unserm Fenster sprießt.
Wie der Regen stürzt
Und den Garten würzt
Und den ersten Frühling gießt!

Plötzlich säumt der Wind,
Und der Regen rinnt
Spärlich aus dem Wolkensieb.
Und die Mühle dreht
Langsam sich und steht,
Die noch eben mächtig trieb.

Schießt ein Sonnenblick
Über Feld und Knick,
Wie der Blitz vom Goldhelm huscht
Und auf Baum und Gras
Schnell im Tropfennass
Tausend Silbertüpfel tuscht.

Wieder dann der Süd,
immer noch nicht müd,
Zürnt die Welt gewaltig an.
Und der Regen rauscht,
Und der Garten lauscht
Demütig dem wilden Mann.
Meiner Schulter dicht
Lehnt dein hold Gesicht,
Schaut ins Wetter still hinein.
Kennst das alte Wort,
Ewig währt es fort:
Regen tauscht und Sonnenschein.

Detlev von Liliencron

 Aus April I

Leichtsinnig, launig, neckisch, ausgelassen,
Wandl’ ich in jeder Stunde Leib und Sinn:
Kaum weiß ich selbst, wie ich beschaffen bin,
Wie sollen mich die fremden Leute fassen?
Hier werf’ ich einen Schneeball durch die Gassen,
Dort schweb’ ich blau in jungen Düften hin,
Bald streich’ ich sanft der Schönen weiches Kinn,
Bald sagen sie, ich wäre grob im Spaßen.

Gern wollt’ ich dir noch Vieles von mir sagen,
Doch drückt mich des Sonettes enges Band,
Das mir die Muse um den Mund geschlagen.
Sie sprach: Ich kenne dich als ungezogen,
Und jener Herr hat in dem welschen Land
Der besten Sitt’ als Kavalier gepflogen.

Wilhelm Müller

oben

 Aus einem April

Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor,
der unseren Schultern schwer war;
zwar sah man noch durch die Äste den Tag,
wie er leer war,-
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

Dann wird es still.
Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.

Rainer Maria Rilke


oben



________________________

Textgrundlage:
"April"
, Detlev von Liliencron, aus: Liliencrons Gedichte.
 Auswahl für die Jugend. Zusammengestellt
von der Lehrervereinigung zur Pflege der künstlerischen
 Bildung in Hamburg, S. 50-51. ED: 1901,
Verlag Schuster und Loeffler, Berlin und Leipzig

wikisource

"April I", Wilhelm Müller, aus: Gedichte von Wilhelm Müller.
Vollständige kritische Gesamtausgabe,
bearbeitet von Taft Hatfield, S. 56, ED: 1906, B. Behr's
Verlag, Berlin

wikisource


"Aus einem April", Rainer Maria Rilke, aus: Das Buch der
 Bilder, 1. Buch, Teil 1, S. 10,
 2. sehr vermehrte Auflage, ED: 1906, Axel Junker Verlag,
Berlin und Leipzig

wikisource

Logo 65 "Cat and Bird", Paul Klee, Museum of Modern Art -
MoMa, New York - gemeinfrei

wikipedia.org
  lifedays-seite - moment in time