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Literatur


04.7




Gedichte - Ostern

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 Ostermärchen

Schwermütig sitzt auf seinem Ei
Der deutsche Osterhase.
Er fühlt, der Winter ist vorbei,
Und schnuppert mit der Nase.

Er läßt vom lauen Morgenwind
Die langen Löffel schwenken,
Gedankenvoll, wie Deutsche sind,
Wenn sie an gar nichts denken.

 

Sobald die rechte Stunde schlägt,
Erscheint das Frühlingswunder,
Dem Hasen, der da Eier legt,
Ist’s nur ein Kinderplunder.

Er lümmelt drauf und sitzt und schwitzt,
Bis aus zerknickter Schale
Ein nackig Ungeheuer sitzt
Und piept und quiekt: „Bezahle!“

Erst glotzt er’s an, als wär’s ein Traum,
Dann schlägt er schnell im Grase
Dreimal den schönsten Purzelbaum:
„Mein Name, Herr, ist Hase!"

Ich weiß von nichts. Ich habe zwar
Sie eben ausgebrütet;
Doch hat bis heut mir der Notar
Die Kosten nicht vergütet.

„Drum, wenn ich höflich bitten darf,

Kein Wort von Alimenten!
Ein Hase, der da Junge warf,
Zählt nicht zu den Studenten.

Er kann zwar, wenn es gut ihm deucht,
Die Eier schwarz bemalen;
Doch sollen, was heraus da kreucht,
Die anderen bezahlen.“

 Edgar Steiger

 

 Ostereier

Das Osterei ist ein Symbol:
Das Volk kann niemals sterben;
Doch kluge Köche können wohl
Die Schale anders färben.

Längst mischen sie ihr rouge et noir,
Doch weiß ein jeder Bayer:
Die harten Eier heißen „Oar“,
Die weichen nennt man Eier.

Wer dich in den April geschickt,
Verhau den Kerl nur feste!
Doch wisse: wer mit weichen spickt,
Bekleckert sich die Weste.

Beim Eierlegen gibt’s Geschrei,
Gegacker und Gebimmel.
Ein schwarzes Ei – ein faules Ei!
Es platzt und stinkt zum Himmel.

Drum, wenn du Eierkuchen bäckst,
Prüf’ erst das Ei im Glase!
Bevor du mit der Zunge schmeckst,
So rieche mit der Nase!

Und ist’s der Henne einerlei,
Ob Körner auf der Tenne,
Ob Häcksel, ei, so sei das Ei
Mal klüger als die Henne!

 Edgar Steiger 
oben

 Fröhliche Ostern

Da steht aufs neue dieses alte Wunder:
Der Osterhase kakelt wie ein Huhn
und fabriziert dort unter dem Holunder
ein Ei und noch ein Ei und hat zu tun.
Und auch der Mensch reckt froh bewegt die Glieder –
er zählt die Kinderchens: eins, zwei und drei ...
Ja, was errötet denn die Gattin wieder?

Ei, ei, ei,
    ei, ei
       ei!

 
Der fleißige Kaufherr aber packt die Ware
ins pappne Ei zum besseren Konsum:
Ein seidnes Schnupftuch, Nadeln für die Haare,
Die Glitzerbrosche und das Riechparfum.
Das junge Volk, so Mädchen wie die Knaben,
sucht die voll Sinn versteckte Leckerei.
Man ruft beglückt, wenn sie's gefunden haben:

Ei, ei, ei
    ei, ei
       ei!

Und Hans und Lene steckens in die Jacke,
das liebe Osterei - wen freut es nicht?
Glatt, wohlfeil, etwas süßlich im Geschmacke,
und ohne jedes innre Gleichgewicht
 
Die deutsche Politik … Was wollt ich sagen?
Bei uns zu Lande ist das einerlei -
und kurz und gut: Verderbt euch nicht den Magen!
Vergnügtes Fest! Vergnügtes Osterei!

Kurt Tucholsky


 Ostern

Wenn die Schokolade keimt,
Wenn nach langem Druck bei Dichterlingen
"Glockenklingen" sich auf "Lenzesschwingen"
Endlich reimt,
Und der Osterhase hinten auch schon preßt,
Dann kommt bald das Osterfest.

Und wenn wirklich dann mit Glockenklingen
Ostern naht auf Lenzesschwingenm ---
Dann mit jenen Dichterlingen
Und mit deren jugendlichen Bräuten
Draußen schwelgen mit berauschten Händen ---
Ach, das denk ich mir entsetzlich,
Außerdem - unter Umständen -
Ungesetzlich.

Aber morgens auf dem Frühstückstische
fünf, sechs, sieben flaumweich gelbe, frische
Eier. Und dann ganz hineingekniet!
Ha! Da spürt man, wie die Frühlingswärme
Durch geheime Gänge und Gedärme
In die Zukunft zieht,
Und wie dankbar wir für solchen Segen
Sein müssen.

Ach, ich könnte alle Hennen küssen,
Die so lang gezogene Kugeln legen.

 Joachim Ringelnatz

oben



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Gedicht: "Ostermärchen, Edgar Steiger, aus:
Simplicissimus, Jg. 17, 1912, S. 22,

ED: 8.4.1912, Verlag Albert Langen, München

Quelle
Wikisource

Gedicht: "Ostereier, Edgar Steiger, aus:
Simplicissimus, Jg. 16, 1911, S. 55, ED: 8.4.1912,

Verlag Albert Langen, München

Quelle
Wikisource

Gedicht: "Fröhliche Ostern, Kurt Tucholsky, aus:
Fromme Gesänge, S. 70, ED: 1919,

Verlag Felix Lehmann, Charlottenburg. Erstdruck in:
Schaubühne, 9.4.1914
, UB, Mischigan
Wikisource

Gedicht: "Ostern", Joachim Ringelnatz, aus:
Allerdings, S. 45, 1. Auflage, ED: 1928,

Ernst Rowohlt Verlag, Berlin

Wikisource

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Ostereier
Quelle: 
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