Gedichte
- Ostern
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Ostermärchen
Schwermütig
sitzt auf seinem Ei
Der deutsche Osterhase.
Er fühlt, der Winter ist vorbei,
Und schnuppert mit der Nase.
Er
läßt vom lauen Morgenwind
Die langen Löffel schwenken,
Gedankenvoll, wie Deutsche sind,
Wenn sie an gar nichts denken.
Sobald
die rechte Stunde schlägt,
Erscheint das Frühlingswunder,
Dem Hasen, der da Eier legt,
Ist’s nur ein Kinderplunder.
Er
lümmelt drauf und sitzt und
schwitzt,
Bis aus zerknickter Schale
Ein nackig Ungeheuer sitzt
Und piept und quiekt: „Bezahle!“
Erst glotzt er’s an, als wär’s ein Traum,
Dann schlägt er schnell im Grase
Dreimal den schönsten Purzelbaum:
„Mein Name, Herr, ist Hase!"
Ich
weiß von nichts. Ich habe
zwar
Sie eben ausgebrütet;
Doch hat bis heut mir der Notar
Die Kosten nicht vergütet.
„Drum,
wenn ich höflich bitten
darf,
Kein
Wort von Alimenten!
Ein Hase, der da Junge warf,
Zählt nicht zu den Studenten.
Er
kann zwar, wenn es gut ihm
deucht,
Die Eier schwarz bemalen;
Doch sollen, was heraus da kreucht,
Die anderen bezahlen.“
Edgar Steiger
Ostereier
Das
Osterei ist ein Symbol:
Das
Volk kann niemals sterben;
Doch
kluge Köche können wohl
Die
Schale anders färben.
Längst
mischen
sie ihr rouge et noir,
Doch
weiß ein jeder Bayer:
Die
harten Eier heißen „Oar“,
Die
weichen nennt man Eier.
Wer
dich in den April geschickt,
Verhau
den Kerl nur feste!
Doch
wisse: wer mit weichen spickt,
Bekleckert
sich die Weste.
Beim
Eierlegen gibt’s Geschrei,
Gegacker
und Gebimmel.
Ein
schwarzes Ei – ein faules Ei!
Es
platzt und stinkt zum Himmel.
Drum,
wenn du Eierkuchen bäckst,
Prüf’
erst das Ei im Glase!
Bevor
du mit der Zunge schmeckst,
So
rieche mit der Nase!
Und
ist’s der
Henne einerlei,
Ob
Körner auf der Tenne,
Ob
Häcksel, ei, so sei das Ei
Mal
klüger als die Henne!
Edgar
Steiger
oben
Fröhliche Ostern
Da steht aufs neue dieses alte
Wunder:
Der Osterhase kakelt wie ein Huhn
und fabriziert dort unter dem Holunder
ein Ei und noch ein Ei und hat zu tun.
Und auch der Mensch reckt froh
bewegt die Glieder –
er zählt die Kinderchens: eins, zwei und drei
...
Ja, was errötet denn die Gattin wieder?
Ei, ei, ei,
ei, ei
ei!
Der fleißige Kaufherr aber packt
die Ware
ins pappne Ei zum besseren Konsum:
Ein seidnes Schnupftuch, Nadeln für die Haare,
Die Glitzerbrosche und das Riechparfum.
Das junge Volk, so Mädchen wie
die Knaben,
sucht die voll Sinn versteckte Leckerei.
Man ruft beglückt, wenn sie's gefunden haben:
Ei, ei, ei
ei, ei
ei!
Und Hans und Lene steckens in die
Jacke,
das liebe Osterei - wen freut es
nicht?
Glatt, wohlfeil, etwas süßlich im
Geschmacke,
und ohne jedes innre
Gleichgewicht
Die deutsche Politik … Was wollt
ich sagen?
Bei uns zu Lande ist das einerlei -
und kurz und gut: Verderbt euch nicht den
Magen!
Vergnügtes Fest! Vergnügtes Osterei!
Kurt
Tucholsky
Ostern
Wenn
die Schokolade keimt,
Wenn
nach langem Druck bei Dichterlingen
"Glockenklingen"
sich auf "Lenzesschwingen"
Endlich
reimt,
Und
der Osterhase hinten auch schon preßt,
Dann
kommt bald das Osterfest.
Und
wenn wirklich dann mit Glockenklingen
Ostern
naht auf Lenzesschwingenm ---
Dann
mit jenen Dichterlingen
Und
mit deren jugendlichen Bräuten
Draußen
schwelgen mit berauschten Händen ---
Ach,
das denk ich mir entsetzlich,
Außerdem
- unter Umständen -
Ungesetzlich.
Aber
morgens auf dem Frühstückstische
fünf,
sechs, sieben flaumweich gelbe, frische
Eier.
Und dann ganz hineingekniet!
Ha!
Da spürt man, wie die Frühlingswärme
Durch
geheime Gänge und Gedärme
In
die Zukunft zieht,
Und
wie dankbar wir für solchen Segen
Sein
müssen.
Ach,
ich könnte alle Hennen küssen,
Die
so lang gezogene Kugeln legen.
Joachim
Ringelnatz
oben
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Gedicht: "Ostermärchen,
Edgar Steiger, aus:
Simplicissimus, Jg. 17, 1912, S. 22,
ED:
8.4.1912, Verlag Albert Langen, München
Quelle
Wikisource
Gedicht: "Ostereier,
Edgar Steiger, aus:
Simplicissimus, Jg. 16, 1911, S. 55,
ED:
8.4.1912,
Verlag
Albert Langen, München
Quelle
Wikisource
Gedicht:
"Fröhliche
Ostern, Kurt Tucholsky, aus:
Fromme Gesänge, S. 70, ED: 1919,
Verlag Felix Lehmann,
Charlottenburg. Erstdruck in:
Schaubühne, 9.4.1914, UB, Mischigan
Wikisource
Gedicht: "Ostern",
Joachim Ringelnatz, aus:
Allerdings, S. 45, 1. Auflage, ED:
1928,
Ernst
Rowohlt Verlag, Berlin
Wikisource
Logo 441: Ostereier
Quelle: bilder-kostenlose.de
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