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Literatur


04.7



Gedichte - Ostern

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 Osterspaziergang

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche,
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Thale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen.
Aus dem hohlen finstern Thor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit’ und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.

Johann Wolfgang von Goethe


 Das Osterei

Hei, juchhei! Kommt herbei!
Suchen wir das Osterei!
Immerfort, hier und dort
Und an jedem Ort!

Ist es noch so gut versteckt,
Endlich wird es doch entdeckt.
Hier ein Ei! dort ein Ei!
Bald sind’s zwei und drei.

Wer nicht blind, der gewinnt
Einen schönen Fund geschwind.
Eier blau, roth und grau
Kommen bald zur Schau.

Und ich sag’s, es bleibt dabei,
Gern such’ ich ein Osterei:
Zu gering ist kein Ding,
Selbst kein Pfifferling.

Hoffmann von  Fallersleben



 Ewige Ostern

Als sie warfen Gott in Banden,
als sie ihn ans Kreuz geschlagen,
ist der Herr nach dreien Tagen
auferstanden.

Felder dorren. Nebel feuchten.
Wie auch hart der Winter wüte:
Einst wird wieder Blüt’ bei Blüte
leuchten.

Ganz Europa brach in Trümmer,
und an Deutschland frißt der Geier, –
doch der Frigga heiliger Schleier
weht noch immer.

Leben, Liebe, Lenz und Lieder:
Mit der Erde mag’s vergehen.
Auf dem nächsten Sterne sehen
wir uns wieder.

Klabund


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Textgrundlage: „Osterspaziergang“,
Johann Wolfgang von Goethe, aus: Faust -
Der Tragödie erster Teil, S. 63–65, 1.
Auflage, Entstehung: 1806, ED: 1808,
Verlag J. G. Cotta, EO: Tübingen
wikisource.org 

Textgrundlage: „Das Osterei“, August Heinrich
Hoffmann von Fallerslebenaus: Kinderlieder,
Erste vollständige Ausgabe. S. 41-42, 2. Auflage,
Erscheinungsdatum: 1878 (Erste Auflage 1877),
Verlag Grote, EO: Berlin, Quelle: Google-USA*
und Scans auf Commons
wikisource.org

Textgrundlage: „Ewige Ostern“,  Klabund, aus:   
Die Harfenjule S. 48, 1. Auflage. ED: 1927,
Verlag: Die Schmiede, EO: Berlin
wikisource.org

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