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Literatur


04.7




Gedichte - Ostern

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 Ostern

Ostern! Über fernen Hügeln
Taucht empor dein erster Strahl;
Auf der Morgenröthe Flügeln
Schwebst du über Berg und Thal;
Frischer rauscht im Wald die Quelle
Und des Bachs geschwätz’ge Welle,
Plaudernd mit dem Felsgestein,
Und es taucht die Anemone
Ihre luft’ge Blüthenkrone
In der Frühe goldnen Schein.

Und die Knospen werden rege,
Und das Blatt die Hülle sprengt,
Und im waldigen Gehege
Alles sich zum Lichte drängt.
Nun entbrennt auf deinem Herde
Die erlosch’ne Gluth, o Erde,
Die aus deinen Tiefen bricht.
Deine Lenze kehren wieder,
Deine Blumen, deine Lieder,
Aber deine Todten nicht.

Deine Todten, tiefgeborgen
In dem mütterlichen Schoß!
Selbst am Auferstehungsmorgen
Giebst du nicht die Deinen los.
Ach, mit ihnen hat die Klage
Goldne Träume künft’ger Tage,
Schönes Hoffen aufgebahrt!
Noch hat keine Sonnenwende
Heißer Thränen Opferspende
Trostlos Trauernden erspart.

Doch die Welt ist licht und offen,
Und es naht ein schön’rer Tag!
Laßt uns glauben, laßt uns hoffen,
Daß er bald erscheinen mag!
Ja, ein künft’ges Ostern kröne
Alles Gute, alles Schöne,
Wälze von der Gruft den Stein,
Daß die Menschheit auferstehe
Aus dem tausendjähr’gen Wehe,
Glücklich, edel, frei und rein!

Rudolf Gottschall


oben

 Der Osterhase

Der Has, der Has, der Hase,
Hat uns gelegt im Grase
Viel Eilein, gelb und roth,
Will hinter Stauden und Hecken
Er eilig sich verstecken,
So hat es keine Noth,
Wir suchen ihn im Grase,
Da liegt er schon, der Hase.

Auf bunten grünen Matten
Guckt er aus jungem Schatten
Des Blüthenbaums hervor,
Hier bei den Tulpenbeeten,
Dort hinter den Staketen,
Bei’m hohen Gartenthor,
O kommt, o kommt zu schauen,
Die bunten, die grünen, die blauen.

Im jungen Tannenwuchse,
Im hohen, schlanken Buchse,
Dort bei dem Veilchenstrauch,
Hier in dem weichen Moose,
Links vor der Maienrose
Liegt gar ein schönes auch,
Drei, vier, fünf, sechs dahinten
Dicht bei den Hyazinthen.

Gefunden sind nun alle,
„Daß kein’s zur Erde falle,
Nehmt Kinder! euch in Acht;
Denn wenn zerbricht die Schale,
Seid ihr mit einem Male
Um alle Lust gebracht,
Drum legt sie sacht ins Bettchen,
Ins weiche Eierkrättchen.“

Zu süßen Osterfladen
Sind wir nun eingeladen,
Schon ist das Mahl bereit,
Da lassen wir uns schmecken
Die Fladen und die Wecken
In aller Herrlichkeit:
Vivat die Osterfeier,
Die Fladen und die Eier!

Karl Rudolf Hagenbach

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Textgrundlage: „Ostern“, Rudolf Gottschall,
aus Die Gartenlaube, Heft 6, S. 165, Herausgeber:
Adolf Kröner, ED: 1890, EO: Leipzig, Verlag:
Ernst Keil’s Nachfolger
wikisource.org


Textgrundlage:
„Der Osterhase, Karl Rudolf Hagenbach,
aus: Gedichte, II. Bändchen,
Basel 1846, S. 255–256, ED: 1846, EO: Basel, Verlag:
Schweighauser’sche  Buchhandlung
wikisource.org


Logo 443: "Osterhasen aus Holz", Sigmund
von Dobschütz, 2009,
Licenz: CC-BY-SA 3.0
wikimedia

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