Gedichte - Mai
__________________
Maientraum
Hier
wohnt die Fei, es kann nicht anders sein,
Waldeinsamkeit,
von der ich oft geträumet –
Am
Bergeshang das mosige Gestein,
Es
ist der Grenzwall, der ihr Reich umsäumet.
Hier
lebt sie, fern der lauten Außenwelt,
Ein
wunderbar geheimnisvolles Leben
Voll
Glanz und Duft – das Dämmerdunkel hellt
Die
Sonne nur, Goldfunken einzuweben.
Wie
scheu das Brönnlein aus dem Felsen quillt,
Wie
ernst die dunklen Tannenbäume ragen,
Von
Flechtenbart und Ranken eingehüllt,
Wie
alle Stämme Runenzeichen tragen. –
Hier
ist der Ort, der stille Waldesdom,
Den
sie zum Aufenthalte sich erkoren,
Hier
lauscht der Elf ihr und der graue Gnom
Im
Wurzelwerke und Geklüft verloren.
Die
Sage, die von Merlin uns erzählt
Und
von dem Zauber, der ihn hält gebunden,
Sie
hat sich auch wohl solchen Ort erwählt,
Wie
ich ihn hier im Tannenwald gefunden.
Kein
Laut ringsum – es ist der Platz gefeit,
Ob
dem die Bäume ihre Kronen breiten,
Und
wenn im Dickicht fern ein Habicht schreit,
So
scheint’s an dieser Stelle abzugleiten.
Hier
will ich ruh’n – vielleicht daß sie mir nah,
Daß
ihre Luftgewänder mich berühren,
Und
daß, wie es zu Zeiten wohl geschah,
Sie
will den Dichter in das Traumland führen.
O sei
es drum – ich träume ja so gern
Von
Ländern, wo die Wunderpalmen stehen,
Der
Lotos blüht – mir aber ewig fern –
Waldeinsamkeit,
laß sie im Traum mich sehen. –
Heinrich
Kämpchen
Ich
möchte schweigend, Lieber, dich umfangen,
Gehüllt
in süße, bange Dämmerungen.
Es
wird so viel zu meinem Preis gesungen,
Daß
mir die Lust am Liede fast vergangen.
Wärst
du so heiß von seligem Verlangen,
Wie
eine Lilie, deren weiße Zungen
Den
langen Tag nach kühlem Trost gerungen,
Bis
daß sie müd’ und matt zur Erde hangen:
Komm
her zu mir, ich gebe dir zu trinken,
So
viel du magst, mein treuer deutscher Zecher,
Aus
meinem bodenlosen Liebesbecher!
Siehst
du die hellen Thauestropfen blinken
Dort
an den Lilien in der Morgensonne?
Wie
mäßig schaltet ihr mit meiner Wonne!
Wilhelm
Müller
oben
oben
__________________________________________
Textgrundlage:
„Maientraum“ Heinrich Kämpchen aus: Was die Ruhr
mir sang, S. 27 ED:1909,
Verlag: Hansmann & Co., EO:Bochum
wikisource.org
Textgrundlage:
„Mai“, Wilhelm
Müller, aus: Gedichte ,
Vollständige
kritische Gesamtausgabe, bearbeitet von
James Taft
Hatfield, Seite 56-57, ED:1906,
B.
Behr’s Verlag, EO:Berlin
wikisource.org
Logo53: "Japanes
Bridge", Claude Monet - 1900,
Museum of Fine Arts
(USA)
Lizenz: Gemeinfrei
Wikimedia
|