lifedays-seite

moment in time

 
 
Literatur


04.7




Gedichte - Pfingsten

_________________________




 Pfingstgedanken

Sucht nicht nach stolzen Worten für das Hohe,
Das stillste Gleichnis gibt sein treueres Bild,
Nicht in des Blitzes greller Flammenlohe,
Im sanften Säuseln kam Jehova mild.

Ein Arbeitsmann im Kittel rauh und schlicht,
Schuf Christus seinen großen Geistesbau,
Nicht Gold ist’s, das die Heldenstirn umflicht,
Nur junger Lorbeer aus der Frühlingsau.

Nicht stolzem Wissen ward das Paradies,
Die Einfalt führt zu ihm, der Kinderglaube,
Nicht zeptertragend, nicht im gold’nem Vließ,
Erschien der Geist, er kam als schlichte Taube.

Maria Janitschek


 Pfingstgedanken

Wie waren sie so froh erschrocken,
Die Männer einfach und gering,
Wie fühlten sie die Pulse stocken,
Als Windesbrausen sie umfing
Und es von hellen Feuerflocken
Auf ihre Häupter niederging!

Und als dem Schreck sie sich entrungen,
Da fühlte Jeder Kraft und Werth,
Da sprachen plötzlich sie in Zungen,
Die Keiner ihnen je gelehrt,
Da ist ihr Wort beredt erklungen
Und hat die Lauschenden bekehrt.

Die Menge sah es tief betroffen,
Von ehrfurchtsvoller Scheu bewegt;
Ihr Herz ward einer Ahnung offen,
Die wenig Träumer nur gehegt,
Und schüchtern hat ein frohes Hoffen
In ihrer Seele sich geregt:

Das Hoffen, daß auf neuen Pfaden
Erreichbar sei das ferne Ziel,
Das allen denen, die beladen,
Noch stets in graue Nebel fiel,
Daß in der Fluth sich dürfe baden
Des festgefahrnen Schiffes Kiel.

Die Aberweisen aber standen
Vor diesem Schauspiel tief verstimmt.
Wenn Andre eine Lösung fanden,
Die ihrem trüben Blick verschwimmt
Zu aller Zeit, in allen Landen
Hat die Gelehrten das ergrimmt.

Sie mieden klüglich all’ und jede
Begegnung, dämmend ihren Groll;
In Scheu vor jeder Geistesfehde
Erklärten sie das Volk für toll
Und spöttisch klang die Flüsterrede:
„Sie sind des süßen Weines voll!“

Der alte Text, die alte Weise,
So lang’ der Erde Vesten stehn!
Sie müssen eben, laut und leise,
Verleumden, fälschen und verdrehn;
Sie wollen stets im alten Kreise
Sich ehrfurchtsvoll beräuchert sehn.

Und wer die Hände keck und schnöde
Legt in die Wunden seiner Zeit,
Der wird verstoßen in die Öde
Im Wege der Gerechtigkeit;
Von da zum wilden: „Tödte! Tödte!“
Ist es bekanntlich auch nicht weit.

Doch stimmten solche alten Bilder,
Beschaut man sie im rechten Licht,
Den rechten Menschen merklich milder –
Man tödtet ja die Wahrheit nicht, –
Und wenn noch giftiger und wilder
Die alte Satzung man verficht.

In solchen tröstlichen Gedanken
Schwillt immer wieder mir die Brust,
Wenn ins Gewirr von Laub und Ranken
Ich flüchte aus der Gassen Wust;
Im Hochgefühl der Frei’n und Franken
Liegt doch die höchste Frühlingslust.

Und Allen, die durch grüne Breiten,
Auf denen Halmgewoge sprießt,
Im Thau der milden Frühe schreiten,
Wo sie der Blumen Duft umfließt,
Mag das Gefühl die Seele weiten,
Das Pfingsten in die Brust mir gießt!

Rudolf Lavant


 Am Pfingstmorgen

Stell’ Maienbäume vor dein Haus,
Dann geht nichts Böses ein und aus,
Dann wird nur Frieden drinnen sein
Und stillen Glückes Sonnenschein.

Vom Stamm der Birke strahlt es licht
Wie Freudenglanz auf dein Gesicht;
Mit ihrer hellen Blätter Duft
Durchzieht ein Festesgruß die Luft.

So weht’s durch deines Hauses Raum
Wie halb vergeßner Kindheitstraum,
Und fern verklingt der Welt Gebraus –
Stell’ Maienbäume vor dein Haus!

 F.


oben
_______________________________________________

Textgrundlage: „Pfingstgedanken, Maria Janitschek,
 aus: Gesammelte Gedichte
4. Auflage, Entstehung: 1892,
ED: 1910, Verlag Süddeutsche Illustrations-Centrale,

Literarische Abt., EO: München - Quelle: Digitalisat
Universität Chicago

wikisource.org

Textgrundlage: „Pfingstgedanken“, Rudolf Lavant,
aus: In Reih und Glied
1. Auflage, ED: 1893, Verlag:
J. H. ‚Dietz, EO: Stuttgart

wikisource.org

Textgrundlage: „Am Pfingstmorgen“, Autor: F.,
aus die Gartenlauge, Heft 23, S. 393,
Herausgeber Adolf Körner,
ED: 1886, Verlag Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig

wikisource.org

Logo 50 : "Litzelbergerkeller am Attesee",
Gustav Klimt - 1915/16, Genf

Gemeinfrei
zeno.org

  lifedays-seite - moment in time