Gedichte - Pfingsten
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Pfingstgedanken
Sucht
nicht nach stolzen Worten für das Hohe,
Das
stillste Gleichnis gibt sein treueres Bild,
Nicht
in des Blitzes greller Flammenlohe,
Im
sanften Säuseln kam Jehova mild.
Ein
Arbeitsmann im Kittel rauh und schlicht,
Schuf
Christus seinen großen Geistesbau,
Nicht
Gold ist’s, das die Heldenstirn umflicht,
Nur
junger Lorbeer aus der Frühlingsau.
Nicht
stolzem Wissen ward das Paradies,
Die
Einfalt führt zu ihm, der Kinderglaube,
Nicht
zeptertragend, nicht im gold’nem Vließ,
Erschien
der Geist, er kam als schlichte Taube.
Maria
Janitschek
Pfingstgedanken
Wie
waren sie so froh erschrocken,
Die
Männer einfach und gering,
Wie
fühlten sie die Pulse stocken,
Als
Windesbrausen sie umfing
Und
es von hellen Feuerflocken
Auf
ihre Häupter niederging!
Und
als dem Schreck sie sich entrungen,
Da
fühlte Jeder Kraft und Werth,
Da
sprachen plötzlich sie in Zungen,
Die
Keiner ihnen je gelehrt,
Da
ist ihr Wort beredt erklungen
Und
hat die Lauschenden bekehrt.
Die
Menge sah es tief betroffen,
Von
ehrfurchtsvoller Scheu bewegt;
Ihr
Herz ward einer Ahnung offen,
Die
wenig Träumer nur gehegt,
Und
schüchtern hat ein frohes Hoffen
In
ihrer Seele sich geregt:
Das
Hoffen, daß auf neuen Pfaden
Erreichbar
sei das ferne Ziel,
Das
allen denen, die beladen,
Noch
stets in graue Nebel fiel,
Daß
in der Fluth sich dürfe baden
Des
festgefahrnen Schiffes Kiel.
Die
Aberweisen aber standen
Vor
diesem Schauspiel tief verstimmt.
Wenn
Andre eine Lösung fanden,
Die
ihrem trüben Blick verschwimmt
Zu
aller Zeit, in allen Landen
Hat
die Gelehrten das ergrimmt.
Sie
mieden klüglich all’ und jede
Begegnung,
dämmend ihren Groll;
In
Scheu vor jeder Geistesfehde
Erklärten
sie das Volk für toll
Und
spöttisch klang die Flüsterrede:
„Sie
sind des süßen Weines voll!“
Der
alte Text, die alte Weise,
So
lang’ der Erde Vesten stehn!
Sie
müssen eben, laut und leise,
Verleumden,
fälschen und verdrehn;
Sie
wollen stets im alten Kreise
Sich
ehrfurchtsvoll beräuchert sehn.
Und
wer die Hände keck und schnöde
Legt
in die Wunden seiner Zeit,
Der
wird verstoßen in die Öde
Im
Wege der Gerechtigkeit;
Von
da zum wilden: „Tödte! Tödte!“
Ist
es bekanntlich auch nicht weit.
Doch
stimmten solche alten Bilder,
Beschaut
man sie im rechten Licht,
Den
rechten Menschen merklich milder –
Man
tödtet ja die Wahrheit nicht, –
Und
wenn noch giftiger und wilder
Die
alte Satzung man verficht.
In
solchen tröstlichen Gedanken
Schwillt
immer wieder mir die Brust,
Wenn
ins Gewirr von Laub und Ranken
Ich
flüchte aus der Gassen Wust;
Im
Hochgefühl der Frei’n und Franken
Liegt
doch die höchste Frühlingslust.
Und
Allen, die durch grüne Breiten,
Auf
denen Halmgewoge sprießt,
Im
Thau der milden Frühe schreiten,
Wo
sie der Blumen Duft umfließt,
Mag
das Gefühl die Seele weiten,
Das
Pfingsten in die Brust mir gießt!
Rudolf Lavant
Am
Pfingstmorgen
Stell’
Maienbäume vor dein Haus,
Dann
geht nichts Böses ein und aus,
Dann
wird nur Frieden drinnen sein
Und
stillen Glückes Sonnenschein.
Vom
Stamm der Birke strahlt es licht
Wie
Freudenglanz auf dein Gesicht;
Mit
ihrer hellen Blätter Duft
Durchzieht
ein Festesgruß die Luft.
So
weht’s durch deines Hauses Raum
Wie
halb vergeßner Kindheitstraum,
Und
fern verklingt der Welt Gebraus –
Stell’
Maienbäume vor dein Haus!
F.

oben
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Textgrundlage: „Pfingstgedanken,
Maria Janitschek,
aus: Gesammelte Gedichte 4.
Auflage, Entstehung: 1892,
ED: 1910, Verlag Süddeutsche
Illustrations-Centrale,
Literarische
Abt., EO:
München - Quelle: Digitalisat
Universität Chicago
wikisource.org
Textgrundlage:
„Pfingstgedanken“, Rudolf Lavant,
aus: In Reih und Glied 1.
Auflage, ED: 1893, Verlag:
J. H. ‚Dietz, EO: Stuttgart
wikisource.org
Textgrundlage:
„Am Pfingstmorgen“, Autor: F.,
aus die Gartenlauge, Heft 23, S. 393, Herausgeber
Adolf Körner,
ED: 1886, Verlag Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig
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