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Literatur


04.7





Gedichte - Sommer

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 Im Sommer

Im Sommer trägt ein kleiner Dampfer
auf Moldauwogen uns nach Zlichov
zu jenem Kirchlein, hoch und frei.
Im blauen Nebel schwindet Smichov; –

zur Rechten Flächen braun von Ampfer,
zur Linken stolz die ›Loreley‹.
Wir legen an; und sieh, ein Alter
begrüßt uns leiernd: »Hej, Slované!«

Am Friedhofsrand dann lehnen wir.
Hoch blaut des Himmels Prachtzyane,
und unser Träumen hebt, ein Falter,
auf Sonnenflügeln sich zu ihr.

Rainer Maria Rilke

oben

 Unser Friede

Ein Sommertag, wo man zu tiefer
Siesta sich verpflichtet hält,
Wo Mücken nur und Ungeziefer
So recht lebendig in der Welt,

Wo giftger Pesthauch auf zum Himmel
Aus stehenden Gewässern steigt,
In deren Schlamm sich das Gewimmel
Vielbeinigen Gewürmes zeigt:

Das ist der Friede, der uns schlimmer    
Als je ein Krieg zu werden droht,
Als je ein Krieg, der uns noch immer
Ein offen Feld für Taten bot;

Genüssler hegt jetzt unsre Jugend,
Und Stockgelehrte allenfalls,
Doch jeder Kraft und Männertugend
Brach dieser Friede schon den Hals. –

Doch wird die Sonn’ erst unerträglich,
Und dörrt den Wald, und sengt die Flur,
Da hilft sich, auf gut-sommertäglich,
Mit einem Schlage die Natur:

Die Donnerwolke blitzt und wettert,
Und nimmt der Luft den giftgen Hauch,
Und wird auch mancher Baum zerschmettert,
 In faule Sümpfe schlägt es auch.

Welch Friede dann, wenn segenstrahlend
Die Sonn’ im Westen untergeht,
Und dunkle Purpurrosen malend,
 Der Himmel wie in Flammen steht!

Wir baden uns im Hauch der Frische,
Wie neugeboren ist das All,
Und in des Baumes Blätternische
 Schlägt lieblicher die Nachtigall.

Theodor Fontane

 Aus der Kinderzeit

Sommertage auf der ›Golka‹ ...
Ich, ein Kind noch. – Leise her,
aus dem Gasthaus klingt die Polka,
und die Luft ist sonnenschwer.

Sonntag ists. – Es liest Helene
lieb mir vor. – Im Lichtgeglänz
ziehn die Wolken, wie die Schwäne
aus dem Märchen Andersens.

Schwarze Fichten stehn wie Wächter
bei der Wiesen buntem Schatz;
von der Straße dringt Gelächter
bis zu unserm Laubenplatz.

An die Mauer lockt uns beide
mancher laute Jubelschrei:
drunten geht im Feierkleide
Paar um Paar zum Tanz vorbei.

Bunt und selig, Bursch und Polka,
Glück und Sonne im Gesicht! –
Sommertage auf der ›Golka‹, –
und die Luft war voller Licht ...

Rainer Maria Rilke

         

oben

 Sommerschwüle

Es bauen rings sich Tag für Tag
Die Wetter auf mit fernem Grollen,
Doch nie und nie ein fester Schlag
Und nie ein Donnern aus dem Vollen! 

Ein Wetterleuchten fort und fort,
Am Wolkensaum ein rosig Glühen,
Ein Zucken hier, ein Zucken dort,
Doch nie ein herzhaft Blitzesprühen!

Ein feines Tröpfeln löscht den Staub’
Und spottend ziehn die Wolken weiter.
Wir sind aufs neu der Dürre Raub’
Und rings ist alles blau und heiter.

Dem Anfang folgt sogleich der Schluss
Und unsern Fluren fehlt der Segen;
Es kommt zu keinem derben Guss,
Zu keinem strömend-schweren Regen.

So recht ein Abbild unsrer Zeit,
Die nichts in Trümmer schlägt und Splitter!
Gewitterschwüle weit und breit,
Doch nie ein ehrliches Gewitter!

Wer solche Zeit ertragen kann
Und sich nicht sehnt nach Wetterschlachten,
Der ist ein halber, lauer Mann,
Den muss ein ganzer Mann verachten.

Rudolf Lavant

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 Sommernacht

Mit des Mondes Silberauge
Träum’ ich in die blaue Welt.
Scharf ergießt sich meines Blickes Lauge
Über Dorf und Feld.

Aber in die Ferne
Dringt mein Blick verweint.
Sind es Lichter, sind es Sterne?
Berg und Himmel wohl vereint.

Hügel  Himmel ich verfehle
Eure Grenze gern
Und so weißt auch du nicht, Seele,
Ob du Licht bist oder Stern.

Klabund

oben



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Gedicht: "Im Sommer", Rainer Maria Rilke, Larenopfer, in:Sämtliche Werke, Band I., S. 47,
Herausgeber: Rilke-Archiv in Verbindu mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt durch Ernst Zinn. ED: 1955,
Insel-Verlag, Frankfurt/Main, Erstdruck:1895.

Wikisource

Gedicht: "Unser Friede", Theodor Fontane, aus: Gedichte, S. 88-90, 1. Auflage. ED 1851,
Carl Reimarus' Verlag W. Ernst, Berlin

Wikisource

Gedicht: "Aus der Kinderzeit", Rainer Maria Rilke, Larenopfer, in:Sämtliche Werke,
Band I., S. 60-61, Herausgeber: Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke,
besorgt durch Ernst Zinn. ED: 1955, Insel-Verlag, Frankfurt/Main, Erstdruck:1895

Wikisource

Gedicht: "Sommerschwüle", aus: Rudolf Lavant-Gedichte S. 094, 3. Auflage, ED:1965,
Akademie-Verlag, Berlin

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Gedicht: "Sommernacht", Klabund, aus: Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern, S, 54,
Erscheinungsdatum: 1913, Erich Reiß Verlag, Berlin

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