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Literatur


04.7




Gedichte - Herbst

18. Jahrhundert

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 Der Herbst

(Trinklied)


Trinkt, trinkt, trinkt,
Trinkt, ihr unverdrossnen Brüder
Eures Lebens Sorgen nieder!

Singt, singt, singt,
Singt darunter frohe Lieder,
Trinkt darauf und singet wieder!

Reich, reich, reich,
Träufelt Seegen von Lyäen,
Von den weinbepflanzten Höhen! 

Euch, euch, euch,
Lächelt er zukünftge Freuden,
Um die Götter euch beneiden. 

Hört, hört, hört,
Hört der Winzer frohen Willen
Fässer her! wir müssen füllen.

Leert, leert, leert,
Leert dies Fass mit tapfern Zügen,
Dass die Winzer Tonnen kriegen!

Christian Felix Weiße

oben

 Herbstgefühl

Fetter grüne, du Laub’,
Am Rebengeländer
Hier mein Fenster herauf!
Gedrängter quellet,
Zwillingsbeeren, und reifet
Schneller und glänzend voller!
Euch brütet der Mutter Sonne
Scheideblick, euch umsäuselt
Des holden Himmels
Fruchtende Fülle;
Euch kühlet des Mondes
Freundlicher Zauberhauch,
Und euch betauen, ach!
Aus diesen Augen
Der ewig belebenden Liebe
Vollschwellende Tränen.

Johann Wolfgang von Goethe

oben

 Herbstgesang

Sei gegrüßt im falben Nebelkleide,
Gott des Segens, sei gegrüßt!
Lieh dir gleich nicht Flora ihr Geschmeide,
Holder Gott des Segens, sei gegrüßt!

Ach! wie hängt dein Horn von Purpurtrauben
Und von goldnen Früchten schwer!
Lass mich, lass mich deines Nektars rauben,
Reich mir deinen Freudenbecher her;

Dass ich deines Feuers voll dich singe,
Bis mir Stirn und Wange glüht;
Dass dein Lob zum fernsten Äther dringe,
Bis zum hohen Sirius dein Lied!

Ja, der Götter wonniges Entzücken,
Das dem Nektar Süße leiht,
Ist, uns Erdenkinder zu beglücken:
Wohltun ist des Himmels Seligkeit.

Seht ihrs nicht an diesem Gott der Freude? –
Wie sein Nebelschleier flieht!
Wie geschmückt im lichten Ätherkleide
Lächelnd er zu uns hernieder sieht!

Denn er hat mit Segen unsre Fluren,
Unsre Hütten all erfüllt.
Seht, o seht! wie seines Fußes Spuren
Überall ein voller Strom entquillt!

Reizend ist im blumigten Geschmeide,
In der Hoffnung Lichtgewand
Dein Verkünder, holder Gott der Freude,
Mit dem Blütenzepter in der Hand.

Liebe, Liebe strahlt aus seinem Bilde;
Mit dem schöpferischen Strahl
Wandelt er in Edens Lustgefilde
Unsre Fluren, Hain und Tal.

Aber auf des Windes Flügel fliehet
Uns dies glückliche Gesicht,
Wie im ungetreuen Meere siehet
 Man die Spuren seines Pfades nicht.

Du, du reichst uns Freud’ und neues Leben
In dem edlen Rebenblut!
Deine vollen Nektartrauben geben
Noch zu hoher Tat dem Enkel Mut.

Seliger Autumnus! sieh die Menge
Froher Wesen, die dir singt,
Horch dem Jubel heller Lustgesänge,
Der beseelt von dir zum Äther dringt.


Kehre nicht so schnell den Flug zum Himmel,
Bleib’ und schaue deine Lust
An dem frohen dankenden Gewimmel,
Sieh der Himmel ist in unsrer Brust!

Karoline Christiane Louise Rudolphi

oben

 Herbstlied

Bunt sind schon die Wälder;
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.

Wie die volle Traube,
Aus dem Rebenlaube,
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche mit Streifen
Rot und weiß bemalt.

Sieh! wie hier die Dirne
Emsig Pflaum’ und Birne
In ihr Körbchen legt;
Dort, mit leichten Schritten,
Jene, goldne Quitten
In den Landhof trägt!

Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben,
Zwischen hohen Reben,
Auf dem Hut von Stroh!

Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröte
Und im Mondenglanz;
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutschen Ringeltanz

Johann Gaudenz von Salis-Seewis


oben




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Textgrundlage: "Der Herbst", Christian Felix Weiße, aus: Scherzhafte Lieder, S. 98-99,
1. Auflage. ED: 1758, Verlag: Weidemann, Leipzig

Wikisource

Textgrundlage: "Herbstgefühl“, Johann Wolfgang von Goethe, aus: Goethes Werke,
Vollständige Ausgabe letzter Hand. erster Band, S. 84. Entstehung: 1775, ED: 1827,
Verlag J.G.Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen.

Wikisource

Textgrundlage: "Herbstgesang“ 1777, Karoline Chr. L. Rudolphi, aus: Gedichte,
S. 46-49. Herausgeber: Johann Friedrich Reichardt, 1. Auflage, ED: 1781, Verlag:
In Commission bei August Mylius, Berlin.

Wikisource

Textgrundlage: „Herbstlied“ Johann Gaudenz von Salis-Seewis, 1782, aus Gedichte S.70-71,
Dritte vermehrte Auflage, entstehung: 1782, Erschein-Datum: 1792, Verlag Orell, Gessner,
Füssli und Comp., Zürch

Wikisource

Logo 56 : "Gebirgslandschaft mit Regenbogen", Friedrich Casper David - 1910,
Museum Folkwang, Essen,  gemeinfrei

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