Gedichte - Herbst
18. Jahrhundert
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Der
Herbst
(Trinklied)
Trinkt, trinkt, trinkt,
Trinkt, ihr unverdrossnen Brüder
Eures Lebens Sorgen nieder!
Singt,
singt, singt,
Singt darunter frohe Lieder,
Trinkt darauf und singet wieder!
Reich, reich, reich,
Träufelt Seegen von Lyäen,
Von den weinbepflanzten Höhen!
Euch,
euch, euch,
Lächelt er zukünftge Freuden,
Um die Götter euch beneiden.
Hört,
hört, hört,
Hört der Winzer frohen Willen
Fässer her! wir müssen füllen.
Leert,
leert, leert,
Leert dies Fass mit tapfern Zügen,
Dass die Winzer Tonnen kriegen!
Christian
Felix Weiße
oben
Herbstgefühl
Fetter grüne, du Laub’,
Am Rebengeländer
Hier mein Fenster herauf!
Gedrängter quellet,
Zwillingsbeeren, und reifet
Schneller und glänzend voller!
Euch brütet der Mutter Sonne
Scheideblick, euch umsäuselt
Des holden Himmels
Fruchtende Fülle;
Euch kühlet des Mondes
Freundlicher Zauberhauch,
Und euch betauen, ach!
Aus diesen Augen
Der ewig belebenden Liebe
Vollschwellende Tränen.
Johann
Wolfgang von Goethe
oben
Herbstgesang
Sei
gegrüßt im falben Nebelkleide,
Gott
des Segens, sei gegrüßt!
Lieh
dir gleich nicht Flora ihr Geschmeide,
Holder
Gott des Segens, sei gegrüßt!
Ach!
wie hängt dein Horn von Purpurtrauben
Und
von goldnen Früchten schwer!
Lass
mich, lass mich deines Nektars rauben,
Reich
mir deinen Freudenbecher her;
Dass
ich deines Feuers voll dich singe,
Bis
mir Stirn und Wange glüht;
Dass
dein Lob zum fernsten Äther dringe,
Bis
zum hohen Sirius dein Lied!
Ja,
der Götter wonniges Entzücken,
Das
dem Nektar Süße leiht,
Ist,
uns Erdenkinder zu beglücken:
Wohltun
ist des Himmels Seligkeit.
Seht
ihrs nicht an diesem Gott der Freude? –
Wie
sein Nebelschleier flieht!
Wie
geschmückt im lichten Ätherkleide
Lächelnd
er zu uns hernieder sieht!
Denn
er hat mit Segen unsre Fluren,
Unsre
Hütten all erfüllt.
Seht,
o seht! wie seines Fußes Spuren
Überall
ein voller Strom entquillt!
Reizend
ist im blumigten Geschmeide,
In
der Hoffnung Lichtgewand
Dein
Verkünder, holder Gott der Freude,
Mit
dem Blütenzepter in der Hand.
Liebe,
Liebe strahlt aus seinem Bilde;
Mit
dem schöpferischen Strahl
Wandelt
er in Edens Lustgefilde
Unsre
Fluren, Hain und Tal.
Aber
auf des Windes Flügel fliehet
Uns
dies glückliche Gesicht,
Wie
im ungetreuen Meere siehet
Man
die Spuren seines Pfades nicht.
Du,
du reichst uns Freud’ und neues Leben
In
dem edlen Rebenblut!
Deine
vollen Nektartrauben geben
Noch
zu hoher Tat dem Enkel Mut.
Seliger
Autumnus! sieh die Menge
Froher
Wesen, die dir singt,
Horch
dem Jubel heller Lustgesänge,
Der
beseelt von dir zum Äther dringt.
Kehre
nicht so schnell den Flug zum Himmel,
Bleib’
und schaue deine Lust
An
dem frohen dankenden Gewimmel,
Sieh
der Himmel ist in unsrer Brust!
Karoline
Christiane Louise Rudolphi
oben
Herbstlied
Bunt
sind schon die Wälder;
Gelb
die Stoppelfelder,
Und
der Herbst beginnt.
Rote
Blätter fallen,
Graue
Nebel wallen,
Kühler
weht der Wind.
Wie
die volle Traube,
Aus
dem Rebenlaube,
Purpurfarbig
strahlt!
Am
Geländer reifen
Pfirsiche
mit Streifen
Rot
und weiß bemalt.
Sieh!
wie hier die Dirne
Emsig
Pflaum’ und Birne
In
ihr Körbchen legt;
Dort,
mit leichten Schritten,
Jene,
goldne Quitten
In
den Landhof trägt!
Flinke
Träger springen,
Und
die Mädchen singen,
Alles
jubelt froh!
Bunte
Bänder schweben,
Zwischen
hohen Reben,
Auf
dem Hut von Stroh!
Geige
tönt und Flöte
Bei
der Abendröte
Und
im Mondenglanz;
Junge
Winzerinnen
Winken
und beginnen
Deutschen
Ringeltanz
Johann
Gaudenz von Salis-Seewis
oben
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Textgrundlage:
"Der Herbst", Christian Felix Weiße, aus: Scherzhafte Lieder, S.
98-99,
1. Auflage. ED: 1758, Verlag: Weidemann, Leipzig
Wikisource
Textgrundlage:
"Herbstgefühl“, Johann Wolfgang von Goethe, aus: Goethes Werke,
Vollständige Ausgabe letzter Hand. erster Band, S. 84. Entstehung:
1775, ED:
1827,
Verlag J.G.Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen.
Wikisource
Textgrundlage:
"Herbstgesang“ 1777, Karoline Chr. L. Rudolphi, aus: Gedichte,
S.
46-49. Herausgeber: Johann Friedrich Reichardt, 1. Auflage, ED: 1781,
Verlag:
In Commission bei August Mylius, Berlin.
Wikisource
Textgrundlage:
„Herbstlied“ Johann
Gaudenz von Salis-Seewis, 1782, aus Gedichte S.70-71,
Dritte vermehrte Auflage,
entstehung: 1782, Erschein-Datum: 1792, Verlag Orell, Gessner,
Füssli und
Comp., Zürch
Wikisource
Logo 56 : "Gebirgslandschaft mit
Regenbogen", Friedrich Casper David - 1910,
Museum Folkwang, Essen, gemeinfrei
zeno.org
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