Gedichte
- Herbst
19. Jahrhundert
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Herbstmorgen
1840
Die
Wolken ziehn wie Trauergäste
Den
Mond zu Grabe zu geleiten;
Der
Wind durchfegt die starren Äste,
Und
sucht ein Blatt aus bessren Zeiten.
Die
grünen
Tannen schaun so düster
Auf
eine jung-geknickte Eiche,
Als
blickten trauernde Geschwister
Auf
der geliebten Schwester Leiche.
Schon
flattern in der Luft die Raben,
Des
Winters
unheilvolle Boten;
Bald
wird er tief in Schnee begraben
Die
Erde – seinen großen Toden.
Ein
Bach läuft hastig mir zur Seite;
Er
ahnt des Winters Eisesketten,
Und
stürzt
sich fort und sucht das Weite
Als
könnt’ ihm Flucht das Leben retten.
Da
mocht’ ich länger nicht inmitten
So
todesnaher Öde weilen;
Es
trieb mich fort, mit hast’gen Schritten
Dem
flücht’gen Bache nachzueilen.
Theodor
Fontane
oben
Spätherbstnebel,
kalte Träume
Spätherbstnebel,
kalte Träume,
Ueberfloren
Berg und Tal,
Sturm
entblättert schon die Bäume,
Und
sie schaun gespenstisch kahl.
Nur
ein einz’ger, traurig schweigsam
Einz’ger
Baum steht unentlaubt,
Feucht
von Wehmutstränen gleichsam,
Schüttelt
er sein grünes Haupt.
Ach,
mein Herz gleicht dieser Wildnis,
Und
der Baum, den ich dort schau
Sommergrün,
das ist das Bildnis,
Vielgeliebte,
schöne Frau!
Heinrich
Heine
Herbstblumen
In
des Herbstes weicher Luft
Hab’
ich dir den Strauß gepflückt,
Auf
der Schöpfung stiller Gruft
Noch
mit Farben bunt geschmückt.
Alle
Farben sind hier, schau,
Wie
sie nur der Frühling bot,
Violet,
gelb, weiß und blau,
Nur
kein brennend-heißes Roth.
Mit
der Sommerlüfte Glühn
Ist
erloschen Rosenbrand,
Aber
blassre Blumen blühn
Schön
noch an des Lebens Rand
Friedrich
Rückert
oben
Der klare
Herbst
Mir
gefällt der Herbst, der klare,
Weil
er ist die Zeit im Jahre,
Die
im Lebenskreise bist,
Alter,
du, und ich gewahre,
Dass
an dir mein Jahr nun ist.
Mir
gefällt der
Herbst, der klare,
Weil
er spät vom frühen Jahre
Bringt
den milden Wiederglanz;
Wie
ich flecht’ in greise Haare
Einen
Jugendliederkranz.
Mir
gefällt der
Herbst, der klare,
Weil
er feierlich die Bahre
Der
erblichnen Freuden schmückt,
Und
ich an mir selbst erfahre,
Dass
die Wehmut mich beglückt.
Mir
gefällt der
Herbst, der klare,
Weil
er bringt zu Markt als Ware
Frucht,
die flücht’ge Blüte war;
Wie
ich meinem Winter spare,
Was
mein Sommer heiß gebar.
Mir
gefällt der
Herbst, der klare,
Der
das beste Korn vom Jahre
Ausstreut
für die künft’ge Zeit;
Wie
ich Keim’ in mir bewahre,
Reifend
zur Unsterblichkeit.
Friedrich
Rückert
oben
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Textgrundlage: "Herbstmorgen" Theodor Fontane,
aus: Gedichte S. 11-12, 1. Auflage, ED: 1851,
Carl Reimarus Verlag, W. Ernst, Berlin
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Textgrundlage
"Spätherbstnebel, kalte Träume", Heinrich Heine, aus: Neue Gedichte,
S. 4, 1. Auflage, ED: 1844, Hoffmann und Campe Verlag
Wikisource
Textgrundlage:
"Herbstblumen", Friedrich Rückert, aus: Gedicht S. 682, ED: 1841,
Verlag Johann David Sauerländer, Frankfurt am Main
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Textgrundlage: "Der
klare Herbst", Friedrich Rückert, aus Gedichte, S. 621-622, ED: 1841,
Verlag Johann David Sauerländer, Frankfurt am Main
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