Gedichte
- Herbst
20. Jahrhundert
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Der
schöne Sommer ging von hinnen,
Der Herbst, der reiche, zog ins
Land.
Nun weben all die guten Spinnen
So manches feine Festgewand.
Sie
weben zu des Tages Feier
Mit kunstgeübtem Hinterbein
Ganz allerliebste Elfenschleier
Als Schmuck für Wiese, Flur und
Hain.
Ja, tausend Silberfäden geben
Dem Winde sie zum leichten
Spiel,
Sie ziehen sanft dahin und
schweben
Ans unbewusst bestimmte Ziel.
Sie ziehen in das
Wunderländchen,
Wo Liebe scheu im Anbeginn,
Und leis verknüpft ein zartes
Bändchen
Den Schäfer mit der Schäferin.
Wilhelm Busch
Herbstgefühl
Der
große, abendrote Sonnenball
Rutscht
in den Sumpf, des Stromes schwarzen Eiter,
Den
Nebel leckt. Schon fließt die Schwäre breiter,
Und
trübe Wasser schwimmen in das Tal.
Ins
finstre Laub der Eichen sinken Vögel,
Aasvögel
mit den Scharlachflügeldecken,
Die
ihre Fänge durch die Kronen strecken,
Und
Schreien, Geierpfiff, fällt von der Höhe.
Ach,
alle Wolken brocken Dämmerung!
Man
kann den Schrei des kranken Sees hören
Unter
der Vögel Schlag und gelbem Sprung.
Wie
Schuss, wie Hussah in den schwarzen Föhren
Ist
alle Farbe! Von dem Fiebertrunk
Glänzen
die Augen, die dem Tod gehören.
Paul
Boldt
Im
Herbst
Die
Sonnenblumen leuchten
am Zaun,
Still
sitzen Kranke im Sonnenschein.
Im Acker mühn sich singend die Frau’n,
Die Klosterglocken läuten darein.
Die
Vögel sagen dir ferne Mär’,
Die
Klosterglocken läuten darein.
Vom
Hof tönt sanft die Geige her.
Heut
keltern sie den braunen Wein.
Da
zeigt der Mensch sich froh und lind.
Heut
keltern sie den braunen Wein.
Weit
offen die Totenkammern sind
Und
schön bemalt vom Sonnenschein.
oben
Der
Strom trug das ins Wasser gestreute
Laub der Bäume fort. –
Ich dachte an alte Leute,
Die auswandern ohne ein
Klagewort.
Die
Blätter treiben und trudeln,
Gewendet von Winden und Strudeln
Gezügig, und sinken dann still.
– –
Wie jeder, der Großes erlebte,
Als er an Größerem bebte,
Schließlich tief ausruhen will.
Joachim
Ringelnatz
Herbst I
Der
Abendhimmel, grau und taub
Sei
Tafel meinem Stift.
Der
starren Bäume fahles Laub
Sei
meines Liedes Gift.
Das
Spiel von Liebe und von Tod
Kann
warten keine Stund’.
Noch
leuchtet ihm des Waldes Rot,
Noch
sind die Karten bunt.
Otfried
Krzyzanowski
oben
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Textgrundlage:
"Im
Herbst", Wilhelm
Busch, aus: Zu guter Letzt, in Historisch-kritische
Gesamtausgabe in
vier Bänden. Band 4, S. 302. ED: 1960, Verlag Vollmer, Wiesbaden und
Berlin.
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Textgrundlage
"Herbstgefühl", Paul
Boldt, aus: Junge Pferde! Junge Pferde! S. 19, ED: 1914,
Kurt Wolff Verlag, Leipzig
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Textgrundlage:
"Im Herbst", Georg
Trakl, aus: Gedichte, S.23, 1. Auflage, ED: 1913,
Kurt Wolff Verlag, Leipzig
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Textgrundlage:
"Herbst im Fluss",
Joachim Ringelnatz, aus: 103 Gedichte, S. 56,
1. Auflage, ED: 1933, Ernst Rowohlt Verlag, Berlin
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Textgrundlage: "Herbst" Otfried Krzyzanowski, aus: Unser
täglich Gift, S. 20, 1. Auflage,
ED: 1913, Kurt Wolff Verlag, Leipzig
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Queen", Margaret MacDonald, 1900, gemeinfrei
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