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Literatur


04.7



Gedichte - Winter

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Die Krähen

Des Winters Vögel sind die Krähen,
Der Norden ist ihr Vaterhaus;
Ob Sturm und Flocken eisig wehen,
Sie halten treulich bei uns aus.

Sind auch an Gaben leer die Felder,
Sie finden Fraß ohn’ Unterlaß;
Sind stumm und klanglos unsre Wälder,
Sie kräh’n und krächzen uns doch was.

Sie sind nun unsre Nachtigallen,
Und Lerchen, Finken, die zur Zeit
Abwärts im warmen Süden wallen,
Wo ihre Liebe nicht verschneit.

Die Krähen leben, zum Verwundern,
Vom Schlechtesten, vom Schund der Welt;
Den, gierig suchend, durchzuplundern,
Den Wunderlichen wohlgefällt.

In ihnen ist doch ein Gelichter
Von Vögeln auch im Frost uns nah.
So, – haben wir auch keine Dichter, –
Sind doch noch Recensenten da.

Johann Karl Wilhelm Geisheim


 Winternacht

Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab’ nichts, was mich freuet,
Verlassen steht der Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.

Der Wind nur geht bei stiller Nacht
Und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seinen Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.

Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.

Joseph von Eichendorff


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Textgrundlage: Textgrundlage: „Die Krähen“ Johann Karl Wilhelm Geisheim,
aus: Gedichte, Zweites Bändchen. S. 262, ED: 1839, Verlag: Josef Max und Komp. EO: Breslau
wikisource.org

Textgrundlage: „Winternacht“Joseph von Eichendorff. Aus: Werke. 1. Band.
Biographische Einleitung und Gedichte, S. 607–608, Zweite Auflage, Entstehung: 1819,
ED: 1819, Verlag: Voigt & Günther, 1864, Leipzig
wikisource.org

Logo 103: "The Cart", Claude Monet, 1867, gemeinfrei
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