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Literatur


04.2


Literarische Epochen

Verzeichnis der literarischen Epochen
Biedermeier




Annette von Droste-Hülshoff (* 10. Januar 1797 auf Burg Hülshoff bei Münster als Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff; † 24. Mai 1848 auf der Burg Meersburg in Meersburg) war eine deutsche Schriftstellerin und Komponistin. Sie gilt als eine der bedeutendsten deutschen Dichterinnen.


Locke und Lied

Meine Lieder sandte ich dir,
Meines Herzens strömende Quellen,
Deine Locke sandtest du mir,
Deines Hauptes ringelnde Wellen;
Hauptes Welle und Herzens Flut,
Sie zogen einander vorüber;
Haben sie nicht im Kusse geruht?
Schoß nicht ein Leuchten darüber?

Und du klagest: verblichen sei
Die Farbe der wandernden Zeichen;
Scheiden thut weh, mein Liebchen, ei,
Die Scheidenden dürfen erbleichen;
Warst du blaß nicht, zitternd und kalt,
Als ich von dir mich gerissen?
Blicke sie an, du Milde, und bald,
Bald werden den Herrn sie nicht missen.

Auch deine Locke hat sich gestreckt,
Verdrossen, gleich schlafendem Kinde,
Doch ich hab’ sie mit Küssen geweckt,
Hab’ sie gestreichelt so linde,
Ihr geflüstert von unsrer Treu’,
Sie geschlungen um deine Kränze,
Und nun ringelt sie sich aufs neu,
Wie eine Rebe im Lenze.

Wenig Wochen, dann grünet der Stamm,
Hat Sonnenschein sich ergossen,
Und wir sitzen am rieselnden Damm,
Die Hand’ in einander geschlossen,
Schaun in die Welle und schaun in das Aug’
Uns wieder und wieder und lachen,
Und Bekanntschaft mögen dann auch
Die Lock’ und der Liederstrom machen.







oben
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Textgrundlage: „Locke und Lied“, Annette von Droste-Hülshoff,
aus: Gesammelte Schriften, Band 1: Lyrische Gedichte.
Herausgeber: Levin Schücking, ED: 1841/42,
erschienen: 1879, Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart
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