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Literatur


04.2


Gedichte
 

Charlotte von Ahlefeld



Im Herbst
 
Wie mit Flor bezogen ist der Himmel,
Graue Nebel sinken feucht und schwer,
Und der Raben hungriges Gewimmel
Zieht auf Stoppelfeldern hin und her.
 
Blätter rauschen auf den öden Wegen,
Die ich froh und glücklich einst betrat;
Raue Lüfte hauchen mir entgegen,
Und durchschaueren die Wintersaat. 
 
Ringsumher ist jede Spur verschwunden
Von des Sommers Lieblichkeit und Lust.
Nur in tiefen, unheilbaren Wunden
Regt sich noch sein Bild in meiner Brust. 
 
Nur die Hoffnung hebt durch frische Farben
Die verblich‘ne, freudenleere Welt;
Sammelt auch auf öden Fluren Garben,
Die sie in der Zukunft Felder stellt. 
 
Und der Schwermut schauerliche Nächte
Hellt uns oft ihr goldner Himmelsschein;
Freundlich führt uns ihre milde Rechte
In das Reich der Fantasien ein. 
 
Tön' auch mir mit Deinem Schmeichelworte,
Hoffnung, Frieden in das bange Herz;
Kränze windend um der Zukunft Pforte,
Deute Du der Sehnsucht ihren Schmerz. 
 
Und wenn einst der Sommer wiederkehret,
Lass in seinem frischbelebten Grün
Jede Freude, die mein Herz entbehret,
Mir im Glück des Wiedersehens blüh‘n.
 

 
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Mein Dörfchen

Wenn im Weltgeräusch, das mich umgibt,
Noch mein Herz Dich, trautes Dörfchen, liebt,
O so sinds der Kindheit Frühlingskränze
Und die Reize ländlicher Natur,
Die Erinn'rung meiner ersten Lenze,
Was mich knüpft an Deine stille Flur. 

Nie konnt ich im Glanz der Städte finden,
Was im Dämmerschatten Deiner Linden
Mir die heitre Einsamkeit verlieh.
Ach ich fand in lauten, bunten Freuden
Jenes Glück der frühern Jugend nie –
Fand nur Sorgen, Bangigkeit und Leiden.

Doch in Dir – froh ging mir auf und unter
Stets der Sonnenschein, und mild und munter
Strahlt in Dir mir Lunas Silberlicht.
Immer, wenn es durch des Himmels Bläue
Lächelnd wie der Blick der Liebe bricht,
Mahnt es schmerzlich mich an Dich aufs neue. 

Rötete wie Purpur sich der Morgen,
Sang die Nachtigall im Hain verborgen,
So begrüßt  ich freudig die Natur;
Und die Brust, geschwellt von Dank und Liebe,
Schuf zum Tempel mir die weite Flur,
Wo ich opferte der Andacht reine Triebe.

Wehten dann die Morgenwinde leiser,
Ward der Blick der Sonne immer heißer,
Floh ich gern ins freundliche Gemach,
Dachte still beschäftigt dann mit Freuden
Der vergang‘nen frohen Tage nach,
Und mein einsam Los war zu beneiden.

Schwebte spät auf rosigem Gefieder
Lind und kühl die Abenddämm'rung nieder,
Netzte sie mit Tau die stille Flur,
O wie eilt' ich dann, sie zu begrüßen
Und der Sehnsucht leis erwachte Spur
Wusste froh die Hoffnung zu versüßen.

So entwich im eng beschränkten Kreise
Mir der Frühling meiner Jugend leise,
Bis das Schicksal finster mich ergriff;
Ach nun schwankt auf wild erzürnten Meeren
Meines Lebens unbeschirmtes Schiff,
Und die Stürme werden es verheeren.

Unschuldsvolle, nie vergess'ne Stunden,
Warum seid Ihr mir so schnell verschwunden?
Ruft kein Flehen jemals Euch zurück?
Ach die leisen Töne meiner Lieder
Klagen um das früh verlor'ne Glück,
Doch umsonst – es kehrt mir niemals wieder!





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Textgrundlage: Gedichte aus "Natalie", Charlotte von Ahlefeld,
Berlin 1808, gemeinfrei

"Im Herbst", S. 81-83      "Mein Dörfchen", S. 41-44
zeno.org


Logo 203:
"View of Kalchreut", Albrecht Dürer, ca. 1511,
momentaner Standort: Kunsthalle Bremen, Herkunft:
webgalerie of Art (#7369), gemeinfrei

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