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Literatur




Gedichte

Charlotte von Ahlefeld



Der Sommerregen 

Wie milde säuselst Du, o kühler Regen,
Auf die verschmachtende, verbleichte Flur.
Dein längst so heiß, so bang erflehter Segen,
Erfrischt die ganze seufzende Natur,
Und neu gestärkt erheben Gras und Bäume
Die matten Häupter in der Lüfte Räume. 

Der Sonne Glut schien alles zu verzehren;
Es welkte still dahin der Blumen Glanz.
Die Pflanzen neigten sich – ein allgemein Verheeren
Bedrohte selbst der Wälder dunklen Kranz,
Und brennend schien in ihrer dumpfen Schwüle
Die schwere Luft dem lechzenden Gefühle. 

Da strömtest Du, aus höher‘n Regionen
Zur Labung freundlich uns herabgesandt,
Die kühlen Perlen, die in Millionen
Voll heißen Durstes trank das dürre Land.
Wie gute Geister wehen durch die Fluren
Der neuen Lust und der Erquickung Spuren. 

So mildert gern den heißen Brand der Schmerzen,
Der uns im Lauf des Lebens oft versengt,
Der Tränen Tau, der sanft aus unsern Herzen
Das bittre Gift verschloss‘nen Grames drängt,
Und Linderung bringen uns der Wehmut Gaben,
Indem sie still den bangen Busen laben. 

O netzt auch mir das Auge, das so dunkel
Nur öde Wüsten steinigt vor sich sieht,
Und dem der Hoffnung goldnes Sterngefunkel
In unerreichbar weite Ferne flieht.
Ach, wie der matten Flur ein frischer Regen,
Sind Tränen meinem kranken Herzen Segen.


Glück der Liebe

 
Einem Schmetterlinge gleicht die Liebe;
Wie er flatternd über Blumen schwebt,
So entflieht sie oft auf leichten Schwingen,
Und nur selten kehrt sie uns zurück. 
Um gewaltsam ihre Flucht zu hemmen,
Strebt das kranke Herz mit leisem Weh;
Möchte ihr gern die raschen Flügel binden,
Gern sie bannen in der treue Kreis.
Aber wie des Schmetterlinges Farben
Selbst in zarten Händen untergehn,
So vernichten Fesseln auch die Reize,
Die der Liebe freie Regung schmücken. 
Darum öffne ihrem kurzen Glücke
Willig und genießend Geist und Herz;
Aber will es wankelmütig weichen
Trauere dann – doch halt es nicht zurück.


An meinen Lieblingsbaum

 
Die Träume, die in stillen Feierstunden,
Die dunkler Schatten mir so oft verlieh,
Die süße Ruh, die ich bei Dir gefunden,
Mein Lieblingsbaum, o die vergess′ ich nie!

Oft sah ich neben Dir die Sonne untergehen,
Entzückt von ihres Anblicks Majestät.
Oft hat des Herbstes lindes, kühles Wehen
Mit Deinem bunten Laub mich übersät.

Vor meinen Blicken schwebten holde Bilder,
Im lichten Glanz der Jugendfantasie,
Da träumt ich mir des Schicksals Härte milder,
Und jeder Misston wurde Harmonie.

Und liebend grub ich einst in Deine Rinde
Den Namenszug, der in mir brannte, ein,
Auch darum wirst Du mir, Du stille Linde,
Vor allen Bäumen ewig teuer sein.

Wenn sich in Deinen blütenvollen Zweigen
Des Westens leiser Odem kaum bewegt,
Fühlt mein Gemüt sich durch das tiefe Schweigen
Der heiligen Natur so ernst erregt.

Dann denk ich all der Wünsche, die vergebens
In meine Seele kamen, und entflohn,
Und seufze: wär der kurze Traum des Lebens
Vorüber, wie so manche Hoffnung schon.

Und wäre einst nach meiner Tage Mühen,
O Baum, den stets mein Herz mit Liebe nennt,
Ein stilles Grab mir unter Dir verliehen,
Du wärest dann mein liebstes Monument.





oben


________________________
Textgrundlage: Gedichte aus "Natalie", Charlotte von Ahlefeld,
Berlin 1808, gemeinfrei
"Sommerregen", S. 57-60
zeno.org

  

"Glück der Liebe", S. 24-25, Gedichte von  Natalie, Berlin 1808, bei Johann F. Unger
Deutsche-Liebeslyrik.de

"An meinen Lieblingsbaum"
zgedichte.de

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