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Literatur


04.2


Gedichte

Charlotte von Ahlefeld



Das schönere Land
 
So willst Du nun die traute Heimat fliehen,
Wo Dir des Lebens Morgenrot getagt? -
In fern entleg‘ne Länder willst Du ziehen,
Weil Dir das Schicksal manchen Wunsch versagt?
So nimm den Wanderstab und suche Frieden -
Die Ferne lindre Deinen bitter‘n Schmerz,
Und gieße sanft, was hier Dir nicht beschieden,
Der Freuden Fülle in Dein sehnend Herz.

»Mit Zuversicht hoff ich sie dort zu finden,
Denn einem schöner‘n Lande eil ich zu;
Dort weicht die Nacht vom trüben Blick des Blinden,
Dort lächelt dem Gequälten stille Ruh.
Dort rieseln durch die Fluren Balsamquellen
Und heilen mild den Wandrer der sich naht,
Und eines lichtern Tages Strahlen hellen
Mir dort den dornenlosen, heitern Pfad.«

Wie heißt das Land, das Dir so freundlich winket?
Auch mir erdrückt manch banger Gram das Herz,
Und nur durch graue Nebelwolken blinket
Der Stern der Hoffnung matt in meinen Schmerz.
Lass mich mit Dir das schöne Land erreichen,
In welcher Ferne dämmert es empor?
Ach einer Zauberinsel muss es gleichen,
Die zum Asyl sich eine Fee erkor.

»Bist Du entschlossen, mutig ihm zu nahen,
So wirf gleich mir des Lebens Bürde ab.
Dann wird es Dich in Himmelsglanz empfangen,
Denn seine dunkle Pforte ist das Grab,
Nicht schauerlich ist es hinab zu steigen,
Gern sieht man ja das drückende Gewand
Am müden Abend aufgelöst entweichen,
Winkt süße Ruh uns an des Schlummers Hand.«

»Der Körper ist ein Sohn der schweren Erde -
Er sinkt zurück in seiner Mutter Schoß;
Der Geist, befreit von irdischer Beschwerde,
Ringt siegend sich zu ew‘ger Dauer los,
Und aufwärts strebend in die höher‘n Räume,
Fühlt er nicht mehr den unbezwung‘nen Schmerz,
Es fliehn des Lebens Bilder hin wie Träume
Und seine Heimat winkt ihm himmelwärts.«

 
oben 
Der arme Fischer
 
Wenn des Flusses klare Wellen
Mondbeglänzt vorüber zieh‘n,
Schau ich trübe nach den hellen
Fenstern ihres Schlosses hin.

Und es zittern bange Schauer
Mir durch Mark und durch Gebein,
Denn in hoffnungsloser Trauer
Muss ich mich der Sehnsucht weih‘n.

Ach ich kann sie nicht erreichen!--
An der Glut, die mich zerstört,
Wird mein Leben bald verbleichen,
Ungeliebt und ungehört.

Seit mein Auge sie gesehen,
Ist verwandelt mein Gemüt,
Und ich muss vor ihr vergehen,
Wie ein Frühlingstag verblüht.

Seht, mein leichtes Fahrzeug schwanket
Nicht mehr munter auf der Flut,
Denn der Fischer ist erkranket
Und erloschen ist sein Mut.

O wie freudig wollt ich sterben,
Könnt′ ich nur im Tode mir
Einen Blick der Huld erwerben;
Eine Träne nur von ihr!

Aber ach, auf ihrer Höhe
Ahnet wohl die Stolze nicht,
Dass für sie in stummen Wehe
Bald das Herz des Fischers bricht.




oben


__________________________
Textgrundlage: Gedichte aus "Natalie", Charlotte von Ahlefeld,
Berlin 1808, gemeinfrei

"Das schönere Land",   "Der arme Fischer"
zgedichte.de

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"Létang de Ville d'avray", Jean-Baptiste Camille Corot,
1860-63 gemeinfrei

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