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Literatur


04.2


Gedichte

Charlotte von Ahlefeld




Andenken der Kindheit
 
Auf der Kindheit längst vergangnen Tagen
Weilet oft mein still umwölkter Sinn,
Und aus meinem Herzen brechen Klagen,
Dass ich nun nicht mehr so glücklich bin!

Angestrahlt vom Morgenrot des Lebens,
Lachte mir der Frühling überall!
Keine Blume blühte mir vergebens -
Melodie war mir der Wasserfall.

Unbekannt mit schmerzlichen Gefühlen,
Rauschte harmlos, wonnevoll und frei
An der Seite lustiger Gespielen
Mir vorüber meiner Kindheit Mai.

Aber dauernd prägten sich die Bilder
Seiner reinen Freuden mir ins Herz,
Und des Lebens Dunkel wird mir milder,
Denk ich ihrer mit der Sehnsucht Schmerz.

Darum kehr ich gern in deine Fluren
Stilles Dörfchen, aus dem Lärm der Welt,
Denn in dir begegnen mir die Spuren
Jener Zeit, die noch kein Gram entstellt.

Lächelnd grüßt mich jedes Plätzchen wieder,
Wo ich mich im heitern Spiel verlor,
Und noch tönt, süß wie Sirenenlieder,
Klarer Bach, dein Flüstern meinem Ohr.

Goldne Zeiten, wo ich, gleich der Biene,
Honig in dem kleinsten Blümchen fand!
Wo die kindlich ungetrübte Miene
Noch der Flor der Wehmut nicht umwand.

Goldne Zeiten - euerm Angedenken
Werd ich oft in stiller Einsamkeit
Augenblicke der Erinn'rung schenken,
Tränen - euerm frühen Glück geweiht.

Möchte einst der Abend meiner Tage
Mild und freundlich wie der Morgen seyn,
O dann trüg ich mit verstummter Klage
Jetzt des Mittags schwülen Sonnenschein.
 
oben
An ein Kind
 
Ungetrübt und klar und helle
Rinnet noch des Lebens reine Quelle,
Zwischen Blumenufern Dir dahin.
Morgenrot glänzt auf den stillen Fluten,
Und im Wiederschein der Purpurgluten
Spiegelt sich Dein unbefangner Sinn.

Aber bald umwölkt ein trüber Schleier
Dir des Daseins jugendliche Feier,
Und Aurora‘s milder Glanz verbleicht.
Wolken zieh‘n sich über Dir zusammen,
Denn der Leidenschaften wilde Flammen
Haben bald die zarte Brust erreicht.

Und verloren ist der goldne Frieden,
Der der Kindheit nur allein beschieden,
Wenn Dir Liebe droht mit giftig‘m Pfeil.
Hat er einmal Dir das Herz durchdrungen,
Machen selbst des Erdballs Huldigungen
Nicht des Busens tiefe Wunde heil.

Blühe Deinem Schicksal denn entgegen,
Und wenn Stürme schauernd Dich bewegen,
Wanke dennoch nimmermehr Dein Sinn.
Kraft und Mut siegt über bittre Leiden,
Und wenn alle Rosen von Dir scheiden,
Welke nie der Hoffnung Grün Dir hin.




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Textgrundlage: Gedichte aus "Natalie", Charlotte von Ahlefeld,
Berlin 1808, gemeinfrei

"Andenken der Kindheit""An ein Kind" 
www.gedichte.xbib.de

Logo 312:
"The Earth's Awakening", Edward Atkinson Hornel,
1912,  gemeinfrei

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