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04.2
Gedichte
Charlotte von Ahlefeld
Die
Erscheinung
Ists
Dein Schatten, der mit lindem Wehen
Leise
oft, und flüsternd um mich schwebt,
Dass
mir ahnungsvoll das Herz erbebt
Und
mir Tränen in den Augen stehen?
Deinen
Körper birgt das dunkle Grab;
Doch
in lichte, höh‘re Regionen,
Unter
Engeln schwesterlich zu wohnen,
Schwang
der Geist sich, welchen Gott Dir gab.
Sollt'
er liebevoll mir wiederkehren,
Weil
er weiß, wie bang ich Dich entbehrt?
Weil
mein Herz, von Sehnsucht still verzehrt,
Sich
des bitter‘n Grams nicht kann erwehren?
O gib
Antwort mir auf diese Frage,
Denn
Dein nachtumhülltes Schattenbild
Ohne
Deine Rede, sanft und mild,
Weckt
nur inniger der Wehmut Klage.
Sprich
wie sonst, mit freundlichem Vertrauen,
Das
Dich wiederum mir näher bringt,
Ach
der Schmerz, der jetzt mich tief durchdringt,
Löst
sich sonst in schauerliches Grauen.
»Fasse
Mut, und hebe ohne Tränen
Deine
Blicke liebend zu mir auf.
Um zu
lindern Dein unendlich Sehnen
Stieg
ich aus der Schattenwelt herauf.
Sieh,
ich bin noch - nimmer kann vergehen,
Was
in reiner Unschuld einst gelebt,
Und
gestillt in wonnevollen Wehen
Wird
der Schmerz, der irdisch uns durchbebt.
Warum
klagst Du, dass ich früh gesunken,
In
der Erde kühlen Mutterschoß?
Vom
Entzücken höh'rer Sphären trunken,
Ist
der Himmel Wonne nun mein Los.
Denn
in Staub zerfallen ist die Hülle,
Die
so schmerzvoll meinen Geist umwand;
Doch
ihn selbst belohnt des Leidens Fülle
Jetzt
mit ew'ger Ruh ein bessres Land.
Dass
ich noch Dir tröstend wiederkehre,
Ist
der Freundschaft Werk, die fest und rein
Uns
vereinigte, und sieh, ich ehre
Ihr
Gebot auch noch im bessern Sein.
Scheiden
muss ich, aber stillen Frieden
Statt
der bangen Sehnsucht nimm von mir.
Wiedersehen
ist uns einst beschieden,
Denn
des Lebens Fackel löscht auch Dir.
Ruhig
sieh zu meiner Gruft hinab,
Denn
der Menschheit edelste Gefühle
Werden
nicht zu Staub im tiefen Grab -
Fest
bestehn sie noch am letzten Ziele.«
oben
__________________________
Textgrundlage: Gedichte aus "Natalie", Charlotte von Ahlefeld,
Berlin 1808, gemeinfrei
"Die
Erscheinung"
zeno.org
Logo 327: "Schatten des Cojnelo", Cornava,
Lizenz: GNU-Lizenz für freie Dokumentationen, Ver. 1.2
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