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04.2
Gedichte -
Friederike Brun
Das
Bild der Sehnsucht
Süßes
Bild, das mir mit leisem Sehnen
Herz
und Sinn, und Geist und Auge füllt!
Reine
Quelle meiner stillen Tränen,
Nie
vergessnes, immer nahes Bild!
Lächelnd
schwebst du auf des Abends Golde,
Neugeboren
unter’m Morgenhain;
Und
mit Wonneglanz füllt deine Holde
Gegenwart
selbst Trauerfantasei’n!
In
der Andacht hohem Sternenfluge,
Schwebst
du winkend meinem Geiste vor;
Weilst
mit mir am ernsten Aschenkruge,
Hebest
tröstend mir der Zukunft Flor;
Zeigst
mir der Vollendung Sonnenauen,
Und
die Ruh’ der jede Klage schweigt;
Stützest
sanft das sinkende Vertrauen;
Flüsterst:
„Mut! Bald ist das Ziel erreicht!
„Wiederfinden
heißt des Zieles Krone,
„Ungetrennt
dann wandeln Einen Pfad.
„Sieh!
Es reift dem himmelvollen Lohne
„Jede
stille ungeseh’ne Tat!„
Fern
getrennt, und doch für mich geboren?
Dunkles
Schicksal, das mein Leben lenkt!
Schnell
erkannt, und schneller noch verloren,
Bessres
Ich, in das mein Geist sich senkt,
Sah’
ich dich, und fühlte höhres Leben
Schöpferisch
durch jede Nerve glühn –
Hörte
dich, empfand mit tiefem Beben
Feste
Bande uns zusammenziehn!
Licht
und Kraft und reine Seelenwürde,
Stille
Freude, heitre Geistesruh’,
Mut
für jede, auch die schwerste Bürde,
Lächelte
mir sanft dein Auge zu.
Nie
gefühltes inniges Vereinen,
Schmiegte
Herz an Herz, und Geist an Geist.
Ach!
Um dich, um dich sollt ich nicht weinen,
Bis
des Lebens harter Faden reißt?
Ferne!
Du vermagst uns nicht zu trennen!
Seelen
trennt nicht Berg, nicht Land und Meer.
Ewig
werden wir uns wieder kennen:
Banges
Herz! Was trauerst du so sehr?
oben
_________________________
Textgrundlage: Friederike Brun, aus: Gedichte -
Herausgeber:
Friedrich von Matthisson, ED: 1795, Verlag: Orell, Gessner,
Füssli u. Co., Zürch
"Das Bild der Sehnsucht"
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101: „Winter“,
1898, Margaret MacDonald, gemeinfrei
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