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Gedichte - Karl Henckell

Der Bettler

Du wankst gestützt auf deine Krücke
Und schleppst dich matt von Haus zu Haus,
Du streckst nach einem Kupferstücke
Von Tag zu Tag die Mütze aus.
Die weißen Haare wuchern nieder
Um dein verfallen Angesicht,
Halb blind, senkst du die Augenlider
Scheu vor dem grellen Sonnenlicht.
Mit Dank empfängst du jede Spende,
Du faltest segnend deine Hände,
Die dürren Lippen murmeln leis
Dem milden Bruder Lob und Preis.

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Wunsch

O, wär' im Elend ich geboren,
Des armen Mannes ärmster Sproß,
Und wär' zum Dichter doch erkoren,
Zu schwingen mich auf’s Flügelroß,
Wie wollt ich in beredten Weisen
Des Volkes mag’re Freuden preisen
Und mit erschütternd grausem Klang
Sein Wehe klagen im Gesang!

O, hätt' ich mit der Milch gesogen
Der Armuth zehrend Schlangengift,
Und wär' in Winkeln aufgezogen,
Die nie der Strahl der Sonne trifft,
Wie wollt' ich in getreuen Bildern
Des Volkes Haß und Liebe schildern
Und mit erschütternd grausem Klang
Sein Wehe klagen im Gesang!

Im Palast find' ich keinen Frieden
Und buhle nicht bei Hof und Thron,
Belastete Karyatiden,
Bei euch nun find' ich süßen Lohn.
O, daß in jeder nied’ren Hütte
Mein Lied von bleicher Lippe glitte,
Wenn mit erschütternd grausem Klang.
Sein Weh ich klagte im Gesang!

O, daß mit meinen reinsten Tönen
Und zaubersüßem Harfenschlag,
Des Volkes Jammer zu versöhnen,
Mein Lied erschölle Tag für Tag!
Wie würde mit geschwielten Händen
Der Arme weinend Dank mir spenden,
Wenn mit erschütternd grausem Klang
Sein Weh ich klagte im Gesang!

O Noth, des Elends Lied zu singen,
Dem, der nicht Sohn des Elends ist!
Im Flug erlahmen deine Schwingen,
Weil du nicht dort geboren bist.
Und mit verdammtem Narrenspotte
Hetzt dich die reiche Pöbelrotte,
Klagst mit erschütternd grausem Klang
Des Volkes Weh du im Gesang.

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