Täuschung
Sieh
dort, mein Freund, das Mädchenbild –
Wie
schwebt dahin sie lieblich leicht!
Ihr
blasses Antlitz, süß und mild,
Den
Engeln auf dem Bilde gleicht.
Zu
meiner Seele rührend spricht’s:
O,
keuscher, frommer Taubensinn!
Ach
Gott, und ist doch weiter nichts,
Als
eine schöne Sünderin.
In
diesem Leib die Anmut wohnt,
In
jedem Glied geoffenbart,
Auf
diesen feinen Zügen thront
Der
Schönheit Zauber stolz und zart,
Und
aus den blauen Augen bricht’s
Wie
Glanz der Himmelskönigin –
Ach
Gott, und ist doch weiter nichts,
Als
eine schöne Sünderin.
Verfluchte
Lügnerin Natur,
Die
du mit falschem Pinsel malst,
Des
Sündenelends Kreatur
Mit
reiner Glorie überstrahlst:
Nie
schufst du keuscher des Gesichts
Gestaltung,
Trugverkünderin! –
Ach
Gott, und ist doch weiter nichts,
Als
eine schöne Sünderin.
Vorüber,
Freund, vorbei im Flug,
Ich
mag das Bild nicht länger schaun,
Ich
kannte längst des Lebens Trug,
Doch
hier beschleicht mich eisig Graun.
Die
Kinder sind wir ja des Lichts,
Auch
sie, so wahr ich selig bin –
Ach
Gott, und ist doch weiter nichts,
Als
eine schöne Sünderin!