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Literatur


04.2


Gedichte - Karl Henckell





Gewitter

Es wetterleuchtet durch die Nacht,
Die Donner, sie rollen von ferne,
Die Wolken stürmen zur wilden Schlacht,
Und ängstlich verlöschen die Sterne.
Es jagt und wettert und kracht und braust,
Wie wenn in Lüften der Böse saust –
Was schmiegst du dich an mich mit Zittern?
He, holla! mich freut das Gewittern.

Kennst du das Leben, mein liebes Kind?
Ach nein, du tändelst in Träumen.
Oft stürmt durch das Leben der Wirbelwind
Und reißt an den knorrigsten Bäumen.
Unter Donner und Blitzen, in stürmischer Nacht
Schlägt der Mensch mit dem Schicksal
die luftige Schlacht –
Was schmiegst du dich an mich mit Zittern?
He, holla! mich freut das Gewittern.

Wie brannte die Sonne so heiß und so dumpf
Die Bäume, sie rangen nach Odem;
Nun flutet es feucht, und der dürrste Stumpf
Saugt ein den köstlichen Brodem:
Wenn träge die Sonne das Leben verbrennt,
Willkommen dann, schlagendes Element!
Laß ab von Zagen und Zittern,
He, holla! mich freut das Gewittern.


Schwarze Locken sah ich wallen

Schwarze Locken sah ich wallen,
Lilienwangen sah ich blüh’n,
Und in diamant'nem Glanze
Dunkle Flammenaugen sprüh’n.

Rosen athmen tief berauschend,
Wilde Liebessehnsucht schwillt,
Zitternd breit' ich meine Arme
Nach dem schönen Sinnenbild.

Laßt mich harren, laßt mich träumen,
Götter hören wohl mein Fleh‘n,
Und aus Mitleid mit mir Träumer
Mag ein Wunder selbst geschehn!







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__________________________
Textgrundlage: Gedichte, Karl Henckell,
aus: Poetisches Skizzenbuch bis 1884,  Verlag Karl Henckell, & Co.
ED: 1898, E-Ort: Zürich und Leipzig, gemeinfrei
Digitalisat Uni-Düsseldorf 


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„Typical supercell with wall cloud, Matthieu PRON,
unter GNU Lizenz für freie Dokumentation Vers. 1.2

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