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Gedichte - Karl Henckell

Nacht

Eine milde Freundin ist die Nacht
Dem, der träum’risch sinnend sie durchwacht,
Deckt ihn mit dem weichen Fittig zu,
Bringt des Herzens Stürme sanft zur Ruh'
Und mit stillgeheimnisvollem Blick
Trägt sie ihn in alte Zeit zurück.

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„Schwärmer bist du, Thor und Träumer!“

„Schwärmer bist du, Thor und Träumer!“
Höhnisch lächelnd ruft ihr’s laut,
Denn die Liebe ist mein Schwester und die Muse meine Braut.
Von der breitgetret’nen Straße eurer Kleinheit flieh' ich weit
Und auf schmalem, stillem Pfade folg' ich der Unsterblichkeit.
Menschenglück und Menschengröße fördern heißt mein stolz Panier
In Gesängen, die noch schlummern in dem schwangern Busen mir.
Meinem Volke will ich reden mit begeisterter Gewalt,
Daß vom Thron bis in die Hütte tausendfach es wiederhallt;
Daß dem Bettler eine heiße Freudenthräne niederrollt,
Daß mir Greis und Mann und Knabe, Mutter mir und Jungfrau hold.
Alle Schätze dieser Erde geb' ich hin für solches Gut,
Opfre Ehre ihm und Reichthum, opfre willig ihm mein Blut.
„Schwärmer bist du, Thor und Träumer!“
Höhnisch lächelnd ruft ihr’s laut,
Denn die Liebe ist mein Schwester und die Muse meine Braut.

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Seht, da habt ihr mich gebunden

Seht, da habt ihr mich gebunden,
Lieben Freunde fern und nah,
Wie in frohen, trüben Stunden
Ich die Welt und Eignes sah.

Was mich heiß und tief bewegte,
Kündet treu der Lieder Chor,
Was im Knaben scheu sich regte,
Tritt im Jüngling kühner vor.

Mich entflammt ein hohes Streben,
Und ich bin mir nie genug,
Will das Schicksal Weile geben,
Flieg' ich immer höher’n Flug.

Aber reißt zu frühem Grabe
Mich hinab ein dunkles Loos,
Angedenken sei die Gabe:
„Unser Freund, er fühlte groß!“

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