lifedays-seite

moment in time





 
Literatur


04.2


Gedichte - Karl Henckell





Lüstern flüstern die Zweige
 
Lüstern flüstern die Zweige,
Lenzhauch küßt die Natur;
Schwellendes Sehnen im Herzen,
Was willst du nur?

Träumst du von rosiger Wangen
Süßer, verschwiegener Lust?
Bebst du in sel’gem Verlangen,
Wonnige Brust?

Feuer schlagen zusammen
Um den trunkenen Sinn,
Und in heiligen Flammen
Wandl’ ich dahin.

oben
Fremdes Mädchen, deiner Augen –

Fremdes Mädchen, deiner Augen
Milder, räthselvoller Bann
Hat die Sinne mir umwoben,
Daß ich nicht entrinnen kann.
Nur verstohlen
Mocht’ ich schauen,
Aengstlich keine Kühnheit mir getrauen.
Golden leuchtete die Sonne
Um dein lieblich Angesicht,
Und aus deinen Augen wieder
Strahlte reines Sonnenlicht.
Stand ich träumend,
Sehnsuchttrunken,
In dem Meere deines Blicks versunken.
Selig, wem du einst zu eigen
Deine lichte Schönheit giebst,
Selig, wen du mit den Augen,
Mit der reichen Seele liebst!
Himmelsgabe
Hält umschlungen,
Wer auf ewig Engel, dich errungen.








oben


___________________________
Textgrundlage: Gedichte, Karl Henckell,
aus: Poetisches Skizzenbuch bis 1884,  Verlag Karl Henckell, & Co.
ED: 1898, E-Ort: Zürich und Leipzig, gemeinfrei
Digitalisat Uni-Düsseldorf 


Logo 295:
"Late Autumn at Barbazon", 1879, Thomas Milliiie Dow,
 gemeinfrei
Wikimedia
   lifedays-seite - moment in time