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Literatur


04.2


Gedichte - Karl Henckell





Des wilden Schwankens voll
 
Des wilden Schwankens voll,
O, dürft’ ich einmal ruhn!
Ich weiß nicht, was ich thun
Und was ich lassen soll.

So treib’ ich hin und her,
Unstät und ohe Ziel,
Ein steuerloser Kiel
Auf endlos weitem Meer.
Die Krone strahlt von fern,
Und meine Seele glüht,
Und meine Jugend flieht -
Das ist mein Stern.

 
 
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Mein Wille zerstob
 
Meine Wille zerstob
Vor deinem Reiz,
Der wunderkräftig,
Ueppig wogend,
Zu fesselloser Glut
Mich entfacht.
Stürme, Wintersturm,
Krache, Eisgang,
Bäume dich auf:
Nieder sinst du,
Kraftlos zerschmelzend,
Heulend vor Weh!
Doch meine Lieb
Ruht auf Pfeilern,
Gleich Pyramiden,
Die sturmgefestet
Des Wüstenwindes
Heißer Gewaltthat
Ewig getrotzt;
So meiner Liebe
Schäumender Waldstrom,
Ragender Fels.
Keiner zerbricht sie,
Keiner auch beugt sie
Lästiger Schranken
Engendem Zwang.
Wundergewaltig,
Stolz und bewußt,
Weltenverachtend
Heißt sie mein Leben,
Heißt sie mein Glück.








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Textgrundlage: Gedichte, Karl Henckell,
aus: Poetisches Skizzenbuch bis 1884,  Verlag Karl Henckell, & Co.
ED: 1898, E-Ort: Zürich und Leipzig, gemeinfrei
Digitalisat Uni-Düsseldorf 


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"Late Autumn at Barbazon", 1879, Thomas Milliiie Dow,
 gemeinfrei
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