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Literatur


04.2


Gedichte - Karl Henckell





Durch die Gassen her

Durch die Gassen her,
Durch die Gassen hin
Stürm’ ich mit bangem,
Verstörtem Sinn.

Winkt doch umsonst
Und blinzelt und lockt,
Ihr Buhlerinnen, -
Mein Athem stockt.

Ich seufze dumpf,
Ich seufze schwer,
Ich finde die Liebe
Auch nimmermehr.

Mein Hirn verbrennt,
Mein Herz schlägt wild,
Meine Seele dürstet
Nach deinem Bild.

Steig’ auf, steig’ auf
In Sonnenpracht,
Verscheuche die bösen
Geister der Nacht!

Eh’ ich verdorre
In sengender Pein -
Fluthen der Liebe,
Strömt auf mich ein!



Glück

Wie zauberherrlich
Der Himmel blaut!
Kein Lüftchen regt sich
Im Haidekraut.
O selig, auf sonnigen
Matten zu ruhn
Und nichts in wonnigen
Träumen zu thun!

Die Augen blendet
Das gold’ne Licht,
Viel Farben tanzen
Vor’m Angesicht.
Dahin der Vermessenheit
Trotzige Pein.
In süße Vergessenheit
Wiegt es mich ein.

O Heimath, Liebe
Und Kindestraum!
Wie schießen die Strahlen
Im weiten Raum!
Das Glück zu erjagen,
Ist eitel Begehr –
Mir bringt es der Wagen
Der Sonne daher.







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Textgrundlage: Gedichte, Karl Henckell,
aus: Poetisches Skizzenbuch bis 1884,  Verlag Karl Henckell, & Co.
ED: 1898, E-Ort: Zürich und Leipzig, gemeinfrei
Digitalisat Uni-Düsseldorf 

Logo 492: "Bildschmuck von Fidus" aus Gedichte von Karl Henckell,
1884, gemeinfrei - neu bearbeitet und farbig gestaltet von gisela rieger
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