Abendstunde

Es zuckt der Docht und will gemach verglimmen,
Des Oeles letzter Rest ist schnell versiegt,
Die Schrift beginnt vor meinem Blick zu schwimmen,
Der hastig noch die Zeilen überfliegt.
Es geht nicht mehr, die müden Augen thränen,
Sie stechen schmerzhaft – schlag’ den Deckel zu!
Das Wissen all’ schafft deinem dunklen Sehnen
Dich nie und nimmer Ruh …

Den Kopf im Arm – so ließe gut sich’s träumen,
Ich that es gern, als ich ein Kind noch war,
Da ließ ein Geist mir Meereswogen schäumen,
Ich schwebte droben als ein stolzer Aar.
Und wenn die Wellen sich zum Himmel thürmten,
Schoß durch die Springfluth jauchzend ich dahin,
Und wenn zum tollen Kampf die Winde stürmten,
War mir so wohl zu Sinn …

Den Kopf im Arm – so ließe gut sich’s träumen,
Doch keine Bilder wogen um mich her;
Wem sich im Hirn Gedanken trotzig bäumen,
Im Paradiese wohnt er längst nicht mehr.
Es riß der Sturm den Aar zum Boden nieder,
Die stolzen Schwingen schlug die Scholle wund,
Zerfedert wird das blendende Gefieder
Und sinkt in Staub und Grund …

Wie linde Stimmen mein Gehör umfluthen!
O, süßen Trostes, sanfter Hoffnung Klang:
Es muß dein Herz in stiller Qual verbluten,
Dann wirst du groß im Leben und Gesang.
Mit Dankgebet sollst du das Leid begrüßen,
Denn ob der Schlamm die Perle überzieht,
Gern magst du alle Schuld der Menschen büßen –
Strömst du sie aus im Lied …

Mahnung

O, wo ein Fünkchen noch
Der Gottesflamme brennt,
Bewahrt und hütet doch
Das edle Element!

Und denkt der Asche nicht,
Die kalt ihn rings umhüllt,
Sorgt, daß der Liebe Licht
Den todten Herd erfüllt!

Wenn erst im Herzen rein
Die Flamme wieder glüht,
Kein Lohn kann größer sein,
Als der euch da erblüht.

Wenn mit des Mitleids Hauch
Den Finken ihr entfacht,
Habt ihr ein Opfer auch
Dem Höchsten selbst gebracht.

O, wo ein Fünkchen noch
Der Gottesflamme brennt,
Bewahrt und hütet doch
Das edle Element!