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Literatur


04.2



Kleines Fabelbuch

Gustav Holting

 


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Der Tiger und die Affen















Ein junger Tiger wagt′ an einem schönen Morgen,
Als seine Frau Mama fürs Essen hatt′ zu sorgen,
Sich aus dem warmen Nest zu schleichen
Und in dem Wald herum zu streichen.
 
Immer weiter geht er fort,
Und geräth an einen Ort,
Wo eine große Affenschaar
Froh bei muntern Spielen war.
 
Doch, als diese kaum erblicken
Seinen buntgestreiften Rücken,
Suchen rasch sie zu entweichen,
Sichre Aeste zu erreichen.
 
„Warum flieht Ihr voller Schrecken?
Warum wollt Ihr Euch verstecken?“
Rief der Tiger ihnen zu;
„Gerne laß ich Euch in Ruh.
 
Hat mein Vater Euch verletzt,
Oft in Angst und Noth gesetzt,
Weil er ja so gerne Jagd
Auf die Waldbewohner macht,

Dürft ihr darum ohne Grauen
Doch auf meine Sanftmuth bauen;
Denn ich bin ein gutes Blut,
Das kein Unrecht jemals thut:
 
Möchte gerne bei Euch weilen,
Euer Spiel mit Euch zu theilen,
Darum kommt nur ohne Säumen,
Schnell herab von Euren Bäumen.“
 
Allein ein alter Affe, grau von Haaren,
Der mancherlei schon in der Welt erfahren,
Rief den Gefährten zu: „Traut dem Verräther nicht,
Wie fromm und lockend er auch spricht!
 
Zwar ist er schwach noch und zu klein,
Um seinem Vater gleich zu sein;
Doch wird er seine Tücke zeigen,
Sobald Ihr′s wagt, herab zu steigen;
 
Denn schon als Kind hört‘ ich von meiner Amme:
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme.


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