lifedays-seite

moment in time



Literatur


04.2



Kleines Fabelbuch

Gustav Holting

 

Popup

Die ungehorsame junge Maus















Die junge Maus:
Wie scheint die Sonne doch so schön
Ins dunkle Haus herein;
Wie gern möcht' ich spazieren gehen
Im warmen Sonnenschein.
 
Die alte Maus:
Sei auf der Huth, bleib' lieber hier,
Sieh dort die Katze liegen;
Sie ist ein räuberisches Thier,
Und Mord ist ihr Vergnügen.
 
Die junge Maus:
Wie, jenes Thier, so zart und fein,
Mit Sanftmuth im Gesicht,
Das sollt‘ die böse Katze sein?
Nein, nein! ich glaub' es nicht.
Die Katze ist voll arger Wuth,
Voll List und voller Tücke,
Und lechzend stets nach unserm Blut,
Zerreißt sie uns in Stücke.
 
Doch jenes Thier zeigt keine Spur
Von solcher Grausamkeit,
Voll Herzensgüte scheint es nur
Und voller Freundlichkeit.
 
Die alte Maus:
Ach, leider wird der äuß're Schein
Gar oftmals Dich betrügen,
Doch, Kind, willst Du vorsichtig sein,
Trau nicht den sanften Zügen.
Es ist die Katze, glaub' es mir,
Die dort so freundlich lacht,
Die schon voll blut'ger Raubbegier
Manch' Mäuschen umgebracht.
Drum bleibe hier, folg' meinem Wort,
Und laß Dich nicht verführen;
Ist erst die böse Katze fort,
Dann gehen wir spazieren.

***
Die Mutter meint' es wahrlich gut,
Allein es schlug das Kind,
Wie's oft geschieht, voll Uebermuth
Die Warnung in den Wind.
Was kann mir denn zu Leid geschehn?
So dacht' die junge Maus,
Da draußen ist es gar zu schön;
Und husch war sie heraus.
Keck lief sie auf die Katze zu,
Und wollte mit ihr scherzen,
Doch ach! es ward die Lust im Nu
Zu bittern Todesschmerzen.
Die Katze hascht mit leichter Müh'
Die arme kleine Maus,
Und biß sie todt, und machte sie
Zu ihrem Mittagsschmaus.
 
Laßt, Kinder, durch das Mäuselein
Bei Zeiten Euch belehren,
Wie schwer es Der oft muß bereu'n,
Der nicht auf Rath will hören.


zurück

 




   lifedays-seite - moment in time