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Literatur


04.2



Kleines Fabelbuch

Gustav Holting
 

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Der Fuchs und der Storch















Herr Fuchs, der arge Schalk, hat einen Scherz erdacht,
Weil über Andere er sich gern lustig macht.
Er bat den Storch, ihm doch die Ehre zu erweisen,
Und morgen freundschaftlich an seinem Tisch zu speisen.
 
Ohn‘ allen Argwohn stellt sich auch Herr Klapperbein
Zur festgesetzten Zeit bei seinem Wirthe ein.
Er hatte Appetit, und dacht' an Fleisch und Fisch,
Und setzte schmunzelnd sich an den gedeckten Tisch.
 
Kaum hat er sich gesetzt, wie ward dem Aermsten da,
Wie sank sein Muth, als er die Speiseanstalt sah.
'ne dünne Brühe ward vom Diener aufgetragen,
Die wenig nur versprach für einen leeren Magen;
 
Doch war dies lange nicht sein größtes Ungemach,
Denn, was das Aergste war, die Schüsseln waren flach.
Er stippt den Schnabel ein, doch konnt's ihm nicht gelingen,
Ein ein'zig Tröpfchen nur in seinen Mund zu bringen.

Indessen macht der Fuchs sich rüstig d'rüber her,
Und leckt mit breiter Zunge rasch die Schüssel leer.
"So iß doch," spricht er, "Freund, es scheint Dir nicht zu
schmecken,
Man muß am Ende wohl für Dich noch besser decken."

Der Storch erwidert nichts, und denkt in seinem Sinn,
Du wirst auch angeführt, wie ich es heute bin.
Er wischt den Schnabel sich, und sagt für Speis' und Trank,
Obgleich er nichts genossen, seinem Wirthe Dank.


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Löwe und Maus

Der Löwe schlief, da kam von ungefähr
Ein kleines Mäuschen just des Wegs daher
Und streift′ die eine seiner mächt’gen Pfoten.
„Hab′ ich nicht jede Störung streng verboten?“
Brüllt der erzürnte Leu mit Donnerstimme.
„O, Herr, bedenket doch in Eurem Grimme,
Daß ich Euch nur aus Unbedacht geweckt,“
Ruft das entsetzte Mäuschen sehr erschreckt.
Der Löwe lacht: „So will ich Dir verzeih′n,“
„Und ich, o Herr, Euch ewig dankbar sein.“
 
Nur wen′ge Tage sind darauf vergangen
Als sich der Leu in einem Netz gefangen.
Er brüllt mit Macht, da eilt die Maus herbei
Und naget an den Stricken, bis er frei.
So ward der Löwe reich dafür belohnt,
Daß er das arme kleine Thier verschont.

 
(Frei nach Lafontaine)

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