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04.2
Gedichte
Amalie von Imhoff
Der
verlorne Maitag
Aus
dem Reich der schönen Thetis,
Aus
der blauen Fluthen Bette
Steigt
der goldgelockte Phöbus,
Um an
ihrem schönsten Feste
Mild
die Erde zu beleuchten.
Stolzer
heftet er die Spangen
Seines
weiten Strahlenmantels
Auf
der hohen Brust zusammen.
Lächelnd
ziehen jezt die Nymphen
An
des Wagens goldne Deichsel
Jene
stolzen Sonnenrosse,
Die
den eitlen Sohn des Gottes
In
ein frühes Grab geschleudert,
Aber
ohne Sträuben folgen
Sie
dem wohlgewohnten Rufe,
Und
die Nymphen werfen scherzend
Ueber
sie die Purpurzügel.
Leis
eröfnet jetzt Aurora
Ihre
Kammer, wo sie einsam
Ueber
Titons graue Haare,
Ueber
ihren Wunsch getrauert,
Da
mit unvorsicht’ger Liebe
Sie
des Vielgeliebten Leben
Nur
zu seiner Qual verlängert,
Ach!
des freudenlosen Alters
Muß
er sich unsterblich grämen!
Sie
entfaltet dort im Osten
Ihren
saffrangelben Schleyer;
Hesper,
den sie bald verdunkelt,
Leuchtet
mit der Silberfackel
Noch
durch graue Morgenwolken –
Aber
jetzo nahet Phöbus –
Von
des Gottes Antlitz strahlet
Ew’ges
Licht und ew’ge Klarheit;
Seine
Flammenrosse schimmern,
Reine
Feuerfunken sprühen
Aus
des goldnen Wagens Rädern;
Es
entfliehen Nacht und Schrecken
In
den dunkeln Schoos des Orkus.
Von
dem lieblichbunten Kreise
Junger
Horen rings umscherzet,
Steiget
Phöbus in die Lüfte.
Aber
plötzlich hüllt Aurorens
Schönen
Schleyer grau Gewölke,
Löscht
des kleinen Hespers Fackel,
Wälzt
sich immer dicht und dichter
Unter
Phöbus stolze Rosse,
Die
voll Trotz die Flammenhufe
In
die feuchten Wolken schlagen.
Wie
in weiter Landesebne,
Die
das Roß vom Sporn getrieben
Leicht
durchfliegt, [der Hufe Spuren
Füllt
der gelbe Sand von selber;]
Höher
als der schnelle Reiter,
Staubeswolken
aufwärts steigen,
Daß
der ferne Wandrer wähnet,
In
den langerhobnen Wirbel
Sey
ein großer Troß gehüllet,
So
umwallt die Sonnenrosse
Graues
neblichtes Gewölke;
Von
den Flammenmähnen schütteln
Sie
mit Iris bunten Farben
Tausend
zarte Regentropfen,
Daß
der Horen seidne Flechten,
Daß
die goldnen Ringellocken,
Sonst
ein Spiel der Morgenwinde
Jezt
von kaltem Thaue träufelnd
Um
die weißen Nacken sinken,
Daß
die flatternden Gewänder
Dichter
sich in feuchten Falten
An
die schlanken Hüften schmiegen,
„Phöbus!
ruft der Kreis der Mädchen,
Wende
dein Gespann, es netzet
Dieser
dicke Duft der Erde
Uns
die Schläfe, uns die Sohlen. –
Doch
mit sanftem Ernst versetzet
Jezt
der schöne Gott des Tages:
Folget
immer, holde Stunden,
Sanft
euch fassend, meinem Wagen;
Denn
der Vater will es also,
Daß
ich heute ungesehen
Ueber
diesem Thale schwebe,
Die
verkehrten Menschen strafend –
Die
auf schimmernden Altären
Eiteln
thörichten Gebräuchen
Ihre
schönsten Freuden opfern.
Statt
an meinem heitern Strahle
Ihr
erkaltet Herz zu wärmen,
An
Aurorens schönem Schleyer
Sich
im Frühlingshayn zu freuen,
Fesseln
sie mit goldnen Ketten
An
des feilen Plutus Wagen
Heute
ihre Sclavennacken.
Statt
im schön gewölbten Tempel
Jenes
feyerlichen Haynes
Heut
auf grünenden Altären
Freudenopfer
darzubringen,
Auf
des muntern Waldorchesters
Feyerhymnen
froh zu horchen,
Zählen
in geschmückten Zimmern,
Geldgier
in den stieren Blicken
Aengstlich
sie gemahlte Blätter,
Und
entzweyen sich um Pappe!
Unglückseliges
Geschlecht!
Selbst
in Tempe’s Fluren elend.
An
Ilissus Veilgen Ufern,
Würdet
ihr nach Karten greifen! –
Doch
wer wandelt wohl dort unten,
Stürmen
trotzend und dem Regen?
Zwischen
feuchtem Mooße pflücket
Er
bedächtlich jetzt Violen,
Wie
die Mädchen sie den Wiesen
Nur
an schönen Morgen rauben;
Zart
die schweren Regentropfen
Aus
den kleinen Kelchen schüttelnd,
Trillert
ruhig er ein Liedchen –
Ha! –
Jezt kenn’ ich ihn, ein Liebling
Ist
er jener holden Neune,
Der
sich meinem Heiligthume
Oft
bescheiden flehend nahte,
Den
ich nicht zurück gewiesen. –
Für
die Freundin, die er ehret,
Die
indeß das Thal durchwandelt,
Sinnender
dies Fest begehend,
Pflückt
er auf der Höh’ die Blumen.
Ihm,
der die Natur verehret,
Und
die Gaben holder Musen;
Ihm,
der schon auf meinem Altar
Süße
Erstlinge geopfert,
Soll
der steile Pfad des Ruhmes,
Als
ein Blumenweg erscheinen,
Wo er
lächelnd Freuden pflücket;
Und
am Ziele soll der Lorbeer,
Aus
der Musen heilgen Händen
Ihm
die heitre Stirne krönen.“
F***
________________________
Textgrundlage: Gedichte
Amalie von Imhoff, Aus Musen-Almanach
für das Jahr 1798, Herausgeber Friedrich Schiller, 1. Auflage, ED: 1798,
Verlag: J. G.
Cotta, Tübingen - Der
verlorene Maitag, S. 80-86
wikisource.org
Logo 396: “Macro of unknown bivalve”
, Urheber: Jon Zander -
GFDL and cc by-SA-2.5
wikimedia
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