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04.2
Gedichte
Amalie von Imhoff
Die
Jungfrau des Schlosses
Romanze
Vor
grauen Jahrhunderten stand
Auf
Tannenumgürteten Höhen
(Noch
sind ihre Mauern zu sehen)
Eine
Burg im sächsischen Land.
Dort
hauste Graf Erich, ein Mann
Von
grausamen Sitten, es wehte
Gar
oft schon in blutiger Fehde
Sein
drohendes Banner voran.
Jetzt
hatt’ ihn das Alter erreicht,
Schon
glänzten, vom Reife der Jahre
Bedecket,
die bräunlichen Haare
Des
Ritters zu Silber gebleicht.
Doch
blieb er stets trotzig und wild,
Ein
harter Gebieter, es bebten
Vor
ihm seine Diener und lebten
Mit
furchtsamen Grauen erfüllt,
Nur
Jutta erzitterte nie,
Wenn
rauh sie der Vater bedräute,
Nie
zittert die Unschuld, auch scheute
Der
Nimmerbezähmte nur sie;
Oft
hielt sie mit bittendem Blick
Das
Schwerdt das der wüthende schwenkte
Die
Diener zu würgen und senkte
Es
sanft in die Scheide zurück.
Kaum
sah sie zum funfzehnten mal
Die
Wipfel der Tannen beschneiet,
Und
wieder ergrünt und erneuet
Die
schwankenden Erlen im Thal,
Doch
pflegte mit holder Geduld
Des
mürrischen Vaters sie stille,
Ihr
höchstes Gesetz war sein Wille,
Ihr
einziger Wunsch seine Huld.
Einst
da sie dem Vater beim Strahl
Des
Morgens, in dämmernder Frühe
Mit
liebend geschäftiger Mühe
Gefüllt
den gewohnten Pokal,
Da
lockt der erwachende Chor
Des
Hayns, die erröthende Bläue
Des
heiteren Himmels die Scheue
Zum
niedrigen Pförtchen am Thor.
Sie
athmet in trunkener Lust,
Des
Morgens balsamische Düfte,
Sanft
heben ihr schmeichelnde Lüfte
Die
Locken von Stirne und Brust.
Und
wie sie noch weilet, erschrickt
Sie
sanft, als in nahen Gesträuchen,
Die
schützend sich über ihn beugen,
Ihr
Aug einen Jüngling erblickt.
Still
schmiegt sich ein schmeichlender Hund
Dem
ruhenden Jäger im Schoose,
Ihm
lieget zur Seit’ in dem Moose
Die
Armbrust auf thauigtem Grund.
Sie
bleibt mit gefesseltem Blick
Mit
zweifelnden Tritten noch stehen,
Schnell
heißt sie die Schüchternheit gehen
Und
fest hält sie Neugier zurück.
Sie
nahet dem Jüngling und spricht:
„So
früh schon Herr Ritter vergnüget
Die
Jagd Euch? – denn sicher, es trüget
Dies
stattliche Ansehn mich nicht;
Wohl
habt ihr als Gast schon, geehrt,
Im
hohen gewölbeten Saale
Des
Vaters, beim festlichen Mahle,
Die
glänzenden Becher geleert.
Nur
mir seyd Ihr noch nicht bekannt;
Es
hält aus der fröhlichen Mitte
Der
Männer die strengere Sitte
Uns
schüchterne Frauen verbannt;
Doch
nehmt diesen Frühtrunk, fürwahr
Ihr
habt der Erquickung vonnöthen!“ –
Hier
beut sie mit keuschem Erröthen
Den
schwankenden Becher ihm dar.
Und
ach mit dem Weine durchdringt
Der
Liebe verzehrendes Feuer
Den
Jüngling; wie zahlt er so theuer
Ein
Labsal das Mitleid ihm bringt! –
O
Mädchen! – du wähnst, es sey Wein
Der
labend den Müden getränket?
Ruft
feurig der Jüngling, ihm senket
In
Busen sich glühende Pein.
Ich
schlürft aus dem Becher nur Schmerz,
Der
dumpf mir die Sinne umwindet,
Gekühlt
ist der Gaum; doch entzündet
Mit
ewiger Flamme mein Herz! –
Doch
weh mir! – es zürnet dein Blick
Du
fliehest? – O Jungfrau verzeihe,
Schon
folgt dem Vergehen die Reue,
Doch
nehm’ ich es nimmer zurück.
Mein
Nam’ ist von Wart, und es lag
In
Schwaben die Burg meiner Väter
Doch
ach! es befleckt’ ein Verräther
Den
rühmlichen Namen mit Schmach;
Er
ist der Verfolgungen Ziel,
Seit
ehrlos ihn Rudolph getragen,
Und
Albert der Kaiser, erschlagen
Durch
bübischen Meuchelmord, fiel.
Auch
uns traf die Rache; wir flohn.
Es
birgt in der dichtesten Mitte
Des
Waldes die niedere Hütte
Seit
Monden die Irrenden schon.
Dort
tönet so einsam und bang
Des
Vaters verzehrende Klage,
Indeß
ich die Forsten durchjage
Dem
dämmernden Morgen entlang.
Wohl
fühl’ ich’s, daß arm und verbannt,
Geächtet,
ein Flüchtling ich schleiche,
Schon
eil’ ich von hinnen, doch reiche
Verzeihend
mir liebreich die Hand.
Nie
soll mehr dein zürnender Blick
O
Schönste, dem Allzuverwegnen
Auf
schattiger Höhe begegnen,
Doch
denke an ihn noch zurück.
Und
Blässe des Todes umschwebt
Jetzt
plötzlich des Scheidenden Wange,
Indeß
noch mit schmerzlichem Drange
Der
Busen des Mädchens sich hebt.
Sie
ist sich nichts weiter bewußt,
Besiegt
von dem mächtigsten Triebe,
Umfangen
vom Zauber der Liebe,
Sinkt
glühend sie ihm an die Brust.
Er
ist der Verbannte nicht mehr;
Von
zärtlichen Armen umstricket,
Am
Busen der Liebe, erblicket
Verwandelt
er rings um sich her
Zur
freundlichen Heimath die Flur,
Wo
jüngst er ein Fremdling sich glaubte,
Es
giebt, was das Schicksal ihm raubte,
Jetzt
schöner ihm Lieb’ und Natur.
Und
jeglicher Morgen erneut
Mit
süßem Geheimniß die Wonne
Der
Liebenden, eh noch die Sonne
Die
hüllenden Nebel zerstreut,
Eh
zitternd am dunkleren Blau
Der
Schimmer der Sterne verglimmet,
Und
zweiflendes Dämmerlicht schwimmet,
Rings
über der schlummernden Au.
Es
hört nicht der Stürme Geheul,
Es
fühlt nicht den stürzenden Regen
Der
Jüngling, den Fluthen entgegen
Erglimmet
mit liebender Eil’
Er
Sommer und Winter die Höh’
Und
bahnt auf der fährlichen Reise
Sich
Pfade auf trüglichem Eise
Und
Wege durch bahnlosen Schnee.
Stets
harret die Liebende sein,
Sie
läßt ihn mit holdem Erbarmen
Am
klopfenden Busen erwarmen,
Sie
reicht ihm den purpurnen Wein.
Im
Schutze des nämlichen Baum’s
Wo
beide zuerst sich gefunden
Verträumen
sie seelig die Stunden
Des
kurzen beglückenden Traums.
Doch
einst da zur Pforte sie schleicht,
Naht
plötzlich gerüstet zum Jagen
Der
Vater, es sieht ihn mit Zagen
Die
Tochter, sie wankt und erbleicht.
Streng
fragt er: „Wie trägst du den Wein
Zur
Pforte?“ – „Er war einem Müden“
Entgegnet
sie stammelnd „beschieden
Vom
Söller gewahrte ich sein.“
Schnell
öfnet er zweiflend das Thor,
Da
eilt’ von den nahenden Tritten
Getäuscht,
mit geflügelten Schritten
Der
harrende Jüngling hervor.
Und
stolz ruft Graf Erich ihn an:
„Wer
bist du, um frevlend zu wagen,
Dies
fremde Geheg zu durchjagen
Wer
zeigte dem Knaben die Bahn?“
Doch
als sich mit zürnendem Muth
Der
trotzige Ritter genennet,
(Unselige
Kekheit) entbrennet
Gewaltig
des Grausamen Wuth.
Wie,
schnaubt er, entfloh dieser Brut
Noch
einer der himmlischen Rache?
So
führe mein Schwerd ihre Sache,
Ihr
fließe zum Opfer dein Blut.
Ha!
rufet von Unwill entglüht
Der
andre: „die fremden Verbrechen
Am
schuldlosen Flüchtling zu rächen
Bist
grausam du jetzt noch bemüht?“ –
So
spricht er, indeß er mit Fleiß
Die
stürmenden Streiche noch wehret,
Sanft
schont er des Wütrich’s und ehret
In
ihm noch den Vater und Greis.
Und
plötzlich mit flehendem Blick
Stürzt
Jutta sich zwischen die Streiter
Bang
faßt sie den Vater, – „Nicht weiter! –
O
haltet die Streiche zurück.
Vergönnt
mir, daß, eh noch der Stahl
In
schuldlosem Blute sich färbe,
Durch
ihn die Verbrecherin sterbe! –
Der
Jüngling – Er ist mein Gemahl!“
Und
schäumend und schrecklicher schwingt
Der
Alte sein Schwerdt; das Erbarmen
Entflieht,
da mit bebenden Armen
Die
Tochter den Jüngling umschlingt –
Doch
ach! den Geliebten beschützt
Vergebens
mit männlichem Muthe
Die
Treue, sie sinket vom Blute
Des
sterbenden Jünglings besprützt.
Und
als sie zum Leben erwacht,
(Schon
trug man den Gatten von hinnen)
Da
hüllt die zerrütteten Sinnen
Der
Wahnsinn in tröstende Nacht.
Sie
wandelt im wachenden Traum
Noch
täglich bei dämmernder Helle
Hinaus
zu der blutigen Stelle
Und
ruht an dem schützenden Baum.
Stets
bringt den Pokal sie hierher,
Und
harret des Wiedersehns Stunde,
Dann
flüstert mit lächelndem Munde
Die
Arme: „Er durstet nicht mehr!“ –
Starr
blickt sie ins grünende Moos
Mit
zögernden Händen, vergießet
Den
Wein zur Erde, da fließet
Die
lindernde Zähr’ in den Schooß.
Und
nimmer mit stärkender Macht
Erquickt
sie der tröstende Schlummer,
Wild
scheuchet der rastlose Kummer
Den
holden Gefährten der Nacht.
Sie
wendet das bleiche Gesicht
Wenn
Mitleid die Nahrung ihr bietet,
Und
stirbt wie von Stürmen umwüthet
Die
glänzende Lilie bricht.
Noch
schweifet ihr Geist in dem Schein
Der
Dämmrung, man sieht unter Ranken
Des
düsternden Epheus sie wanken
Am
grauen bemoosten Gestein.
Wild
flattert ihr weißes Gewand
Beim
ersten verkündenden Strahle
Des
Morgens, sie wird in dem Thale
Die
Jungfrau des Schlosses genannt.
Sie
ruht auf versunkenem Mal,
Wenn
scheidend die Sterne erblassen,
Die
geistigen Hände umfassen
Noch
immer den goldnen Pokal,
Und
hat den gefürchteten Hayn
Der
irrende Jäger erreichet,
Entschwebt
sie den Mauern und reichet
Dem
Starren erquickenden Wein.
F***
________________________
Textgrundlage: Gedichte
Amalie von Imhoff,
Aus Musen-Almanach für das Jahr 1798,
Herausgeber Friedrich Schiller, 1. Auflage,
ED: 1798, Verlag: J. G.
Cotta, Tübingen
Die
Jungfrau des Schlosses , S. 242-255
wikisource.org
Logo 181: „Dame blanche au sommet
d’une tour due Chateau des Carpaths“,
Grafic v. Leon Benett , aus dem Roman Le Chateau des Carpathes von
Jules Vernes 1892, gemeinfrei
wikimedia
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