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Literatur


04.2

Gedichte

Amalie von Imhoff



 Die weiblichen Erscheinungen

Hebt nicht das Herz sich höher der entgegen
Aus deren Blick die holde Jugend lacht,
Die Charis schmückt! Wie folget ihren Wegen
Des Jubels Ruf, wer fühlt nicht ihre Macht?
Stolz fühlet sie der hohen Göttinn Segen,
Und tritt einher mit königlicher Pracht.
Des Siegs gewohnet schaut sie ins Gedränge,
Das dort sich häuft; ihr weicht die frohe Menge.

Doch wagend nicht die Augen zu erheben,
Folgt still die Jungfrau der zu früh entwich
Der frohen Jugend frisch bekränztes Leben,
Zu früh der Wangen Rosenroth verblich.
Den Busen hebt ein unerfülltes Streben,
Sie naht verschämt der lauten Menge sich.
Doch keiner hört den Wohllaut ihrer Worte
Und weichet nicht von dem gewählten Orte.

Wer nahet sich mit Anmuth in den Zügen
Nicht achtend ob auf sie die Menge blickt?
In ihrem Arm sieht man den Knaben liegen.
In ihm nur scheint das frohe Herz beglückt.
Ihr kann des Beifalls Stimme nicht mehr gnügen
Dem leeren Tand der Welt ist schon entrückt
Der reine Sinn; sie fühlt ein höhres Streben,
Als in dem Lob der Menge nur zu leben.

Mit Milde schließt sich an, an die Gestalten
Die Mutter mit dem schönen Töchterpaar,
Man sieht in ihnen sich den Reiz entfalten
Der einst die Zierde ihrer Jugend war,
Vereint mit Sanftmuth sieht man Sitte walten,
Und wird des strengen Ernstes nicht gewahr.
So bildet sie nach ihrer Jugend Weise
Die Töchter zu des Hauses stillem Kreise.

Doch langsam schließt sich an den bunten Reyhen
Das Alter an, mit traurendem Gemüth,
Erblickt voll Ernst des Lebens Tändeleyen,
Der Jugend heitre Farben sind verglüht;
Kaum kann die Gegenwart das Aug erfreuen,
Das nicht in neues Leben hoffend sieht.
Da strebt das Herz sich höhere Gestalten
Im reifen Geist lebendig fest zu halten.
D.


 Der Abschied
Den 20ten Juny 98

Dicht wob der Linde säuselnd Dach
Den Schatten um mich her,
Es schäumte silberklar der Bach
Vom schilfumrankten Wehr,
Mit dunklem Purpurlicht umgoß
Das Abendroth den Hayn,
Und rosig in der Quelle floß
 Der zarte Widerschein.

Und wie die Welle sank und schwoll
So hob mir unbewußt
Sich schmerzlich jetzt und ahnungsvoll
Die tiefbewegte Brust.
Vom lieblich duftenden Gesträuch
Vom buntbeblümten Moos
Pflückt ich die Blüthe, brach den Zweig
Sie sammelnd mir im Schoos.

Und weil ich träumte schlang die Hand
Ein blühendes Gewind’,
Es schien der Freude lächelnd Pfand
Und war der Wehmuth Kind,
So gieng ich schweigend durch den Gang
Der still und einsam war,
Das grünende Gewinde schlang
Ich um den Felsaltar.

Den zarten Wesen war der Kranz
Mit frommem Dank geweiht
Die nächtlich hier der luft’ge Tanz
Im Abendthau erfreut.
Ihr Nimpfen, die ihr diesen Quell
Wie Frühlingsblüthen leicht
Und wie des Mondes Strahlen hell
Im Dämmerlicht entsteigt,

Wenn ihr gehüllt in süßen Duft
Um diese Pappeln schwebt,
So gönnt mir daß die laue Luft
 Mein Name leis durchbebt.
So sprach ich und die Welle schwoll
Am Ufer hoch empor,
Es stieg aus ihr so anmuthsvoll
Die Nimpfe mir hervor.

Der Zephyr küßt ihr goldnes Haar
Ihr bläuliches Gewand,
Sie schwebte leicht zu dem Altar
An dem ich bebend stand.
Sanft strahlt ihr glänzend Angesicht,
Ihr feuchtes Auge winkt
Gewährung, doch sie redet nicht
Sie seufzet und – versinkt.
F ***






_____________________________
Textgrundlage: Gedichte Amalie von Imhoff,
Aus Musen-Almanach für das Jahr 1799,
Herausgeber Friedrich Schiller, 1. Auflage,
ED: 1799, Verlag: J. G. Cotta, Tübingen
Die weiblichen Erscheinungen , S. 19-23,
Entstehung: 1798
wikisource.org
Der Abschied, S. 232-234
wikisource.org

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(von mitgeliefertem Inhalt HP-Vorlage und Genehmigung)

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