lifedays-seite

moment in time





 
Literatur


04.2

Gedichte

Amalie von Imhoff




Zuruf an Griechenland
1821 *)

Du schönes Land, durch das die Göttersagen
Gleich klaren Strömen freudig ziehn! –
Des Himmels tiefre Bläue deinen Tagen
Und schönre Sterne deiner Nacht verliehn.
Wo Zeus gepflegt ward, Majas Sohn geboren,
Aus dem Alcid sich zum Olympos schwang,
Indes von Phöbos zum Asyl erkoren,
Ein Hirt der Gott in deinen Tälern sang.

Gefild, das Plato zeugte, Solon nährte,
Wo, schön verspritzt, Epaminondas Blut
Getränkt den Schoß der freien Muttererde,
An dem, verblutend stolz, der Sohn noch ruht.
Ihr Haine draus bedeutsam, reich verschieden,
Für jedes Fest gewillt der Blätter Glanz:
Dem Siege Lorbeer, Pallas Zweig dem Frieden,
Am schönsten doch der Liebe Myrthenkranz.

Dich liebt ich schon, als mit dem Schmuck der Wiese
Bekränzt ich hüpft‘ in der Gespielen Reih’n;
Und meiner Kindheit Blumen-Paradiese
Verwebten sich mit deinem Lorbeerhain.
Ja, der Begeist‘rung erster Traum entrückte
Mich fern auf deiner Sänger Spur;
Die zarte Jungfrau, scheu, doch selig pflückte
Im Frührot ich ein Blatt auf Lesbos Flur.

Und jedes Eiland draus mit Lenzes Wehen
Der Balsamduft von Blütenwäldern haucht –
Die Küste, die vor heller Segel Blähen
Im goldnen Duft aus Purpurfluten taucht:
So kannt‘ ich all‘ – ein sinnvoll Märchen drückten
Gereiht die Sagen sich in Bild und Spiel;
Wo Götter liebend Sterbliche beglückten,
Ein Held gesiegt – und wo er schöner fiel.

Dort rief’s zu lang umsonst mit tausend Stimmen:
Auch Hellas Söhn‘ aus dumpfen Schlummer wach.
Erstickt versank des kühnern Funkens Glimmen
Matt in gewohnter Knechtschaft Ungemach.
Bis dieser Zeit allmächtige Bewegung
Von Meer zu Meer den fernsten Strand erreicht,
Und Wunsch der Freiheit, in erneuter Regung
Ein schimpflich Joch verhasster noch gezeigt. –

Und kaum als Griechen fühlt ihr eure Rechte,
Ersteht mit euch die alte Tugend schon –
Ihr seid nicht mehr des Moslems feige Knechte,
Die vor des Drängers Geißel zagend floh’n.
Nein! – auf erhabnen Trümmern, hoch zum Streite,
Im Angesicht der aufgeregten Welt,
Groß kämpft ein Volk, dem mahnend sich zur Seite
Der Heldenschatten ernste Schar gestellt.

Sie schwebt herab von jenen Termopylen,
Ein hehrer Traum vom alten Vaterland,
Dort von Plataa, wo sie siegend fielen
In wildem Schmuck von des Eurotas Strand,
Und eh‘ sich die Geschicke noch erhellen,
Wie vormals dräuend mit Barbarenwut,
Schwebt Griechenland von neuem auf den Wellen,
Lässt Haus und Flur um höh’re Freiheit Gut.

Horch! Wie’s durch Pelions erhabne Wipfel
Mit stolzer Lust in allen Zweigen rauscht! –
Ein freud’ger Geist umweht Parnassos Gipfel,
Indes das Tal auf Siegestöne lauscht.
Zu ihres Tempels lang entweihten Hallen
Herab schwebt Pallas schützend wie zuvor –
Und trägt, die für der Laren Schutz gefallen,
Auf goldnen Wolken zum Olymp empor.

Das Recht ist euer! – Ringet mut’ge Streiter! –
Wie ungleich auch der Kampf euch auferlegt,
Macht jeder Schritt die Siegesbahn euch breiter,
Denn Kraft verleiht der Boden, der euch trägt.
Entzünd‘ Tyrtäus neu durch deine Lieder
Den Flammenmut von Spartas edlem Sohn!
Gib‘, Skyros dem Achill jen Troja wieder! –
Fiel, wie in Aulis, doch manch‘ Opfer schon.

Doch wie? – Ihr schaut mit flehender Gebärde
Zum kahlen Nord nach fernem Beistand aus? –
Bedenkt’s – Ihr seid die Könige der Erde –
Entsühnt ihr das befleckte Vaterhaus.
Nicht Hilfe sucht, wo in erschlafften Reichen
Des Willens Kraft zerfloss in Form und Schall, -
Blieb ungerächt – O Frevel sonder Gleichen! –
Sonst eurer Kirch‘ und ihrer Diener Fall? –

Nein, jener reine Mut, längst ging er unter,
Der zu bedrängter Brüder  Rettung fliegt. –
Die matte Welt – sie schläft und träumet Wunder
Von tatlos frommem Dünkel eingewiegt.
Die kühne Wallung, schon ist sie verschwunden,
Die, reinenden Gewitter gleich, gedroht,
Dem fremden Geist ward bald der Bann gefunden,
Und Themistokles isst der Perser Brot!

Getrost! – Allein steht Griechen eurer Sache! –
Kämpft um der freien Zukunft edles Glück.
Berauscht, begeistert euch in heil’ger Rache! –
Mit Blut kauft eure Töchter euch zurück.
Erhebt sie die zertrümmerten Altäre! –
Wölbt eure Tempel neu mit stolzer Pracht! –
Im Sieg verherrlicht unser Heilands Ehre! –
Er ist der Gott des Tapfern in der Schlacht.

Holt Euch den Schmuck zurück des Propyläen,
Von eitler Habsucht frevelnd jüngst entführt.
Dass unter reinem Himmels-Licht gesehen
Die Kunst belebend neu die Herzen rührt.
Ja wenn der Willkür winzige Tyrannen
Den bessern Mann gelästert und verkannt,
Aus allen Räumen schonungslos verbannen,
Find‘ er bei Euch ein schönres Vaterland.

Und du, o Schmerz – beschränkt, doch herb nicht minder,
Der trostlos ein verlornes Glück beweint,
Bezähme dich! – Ihr Tränen, strömt gelinder
Wie die erhabne Hellas mir erscheint. –
In Schmach die Töchter – blutend ihre Söhne,
Das Kind als Waise – Witwe schon die Braut –
Und ihres Jammers – ihres Jubels Töne
Ersticke meiner leisen Seufzer Laut. –


___________________________
*) Gleich nach den ersten Nachrichten von der Erhebung Griechenlandes
gedichtet und im Morgenblatt damals abgedruckt








________________________________
Textgrundlage: "Zum Besten der unglücklichen Greise,
Witwen und Waisen in Griechenland" ,
Herausgegeben von Amalie von Helweg, geb. Freyin von Imhof,
Berlin, im Mai 1826 in Commission bei Leopold Wilhelm Krause,
Adlerstr. Nr. 6
Sammlung: Varia der HAAB Weimar


Logo 282: "Dedication to Bacchus", Lawrence Alma-Tadema,
1889, gemeinfrei
wikimedia


   lifedays-seite - moment in time