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Literatur


04.2

Gedichte

Amalie von Imhoff




Bei der Weinlese am Rhein
Im Herbst 1822
 
Siehst Du’s wimmeln zwischen Reben,
Kopf an Kopf ein bunter Schwarm!
Wo die Hügel dort sich heben,
Hell besonnt und herbstlich warm? –
Winzer sind’s und Winzerinnen,
Eine munter ems’ge Schar,
Welche dort den Wein gewinnen,
Froh im fruchtbar frohen Jahr.

Schau, wie dunkel saftig glühet
Traub‘ an Traube schwer und voll,
Wie, seit Reben hier beglühet,
Reicher keine Ernte schwoll.
Jeder Weinstock wird zum Kranze;
Tyrus, in der Früchte Drang
Jeder Stab, wie einst beim Tanze
Ihn die trunkne Mänas schwang.

Hier mit stummen Fleiße schneidet
Dieser eifrig Trauben ab;
Dort die engen Reihen schreitet
Jener lärmend auf und ab. –
Müßig nicht, wie er Gesänge
Lustig an, der erste stimmt,
Dass die heitren Winzerklänge
Na der alte Rhein vernimmt.

Oft hat er ihn schon vernommen,
Diesen hellen Jubellaut,
Seit am Strom den es durchschwommen,
Wein der Römer angebaut.
Wie er herrisch hier als Sieger
Saft der edlen Reben trank,
Schlürften übermüt’ge Krieger
Oft ihn sonder Müh und Dank.

Aber jetzo reift die Traube
Nicht für fremden Drängers Gaum,
Noch, bezeichnet ihm zum Raube,
Strömt ergib’ger Kelter Schaum.
Heimwärts trägt die vollen Bütten
Heut der Winzer ungestört,
Dass man aus den ärmsten Hütten
Laute Freudentöne hört.

Und des Kirchleins Abendläuten.
Wie’s herauf vom Tale steigt,
Will uns freundlich schon bedeuten
Dass zum Schluss die Müh‘ sich neigt;
Während Streifen goldner Lichter
Dort auf Wald begränzten Höh’n,
Hier, auf lachende Gesichter
Frisch gebräunter Glut zu seh’n.

Schon kommt uns der Trupp entgegen
Mit den Wannen süß beschwert.
Rasch wird vollends Bachus Segen
In die Bütten ausgeleert.
Wie vereint die letzten Reben
Wir in muntrer Hast beraubt –
Hoch, des Schlusses Zeichen, schweben
Leer die Wannen über’m Haupt.

Schau, die frohen Plündrer bringen
Noch des Herbstes letzten Raub –
Hundert ems’ge Hände schlingen
Kranz um Kranz aus buntem Laub;
Dass, vom heitern Übermute
Angesteckt, ohn‘ Unterschied
Flugs vom Häubchen bis zum Hute
Jedes sich bekränzet sieht.

Und ein Tyrsus , schnell gewunden,
Schwanket hoch im Vorderreihn.
Leicht ist Bachus da gefunden
Wo es Trauben gibt und Wein.
Hell aus wimmelndem Gedränge,
Tief im Tal und von der Höh‘
Schallet’s durch die Volksgesänge
Jauchzend Evan Evoe!!! –

Da, wie mit lebend’gem Klange
Dieser Ruf die Schar durchfleucht,
Fühlt‘ ich plötzlich meine Wange
Jetzt von warmen Tränen feucht.
Denn ein großer Schmerzgedanke,
Der mich nimmer ganz verlässt,
Klammert sich, gleich dunkler ‚Ranke,
An die Freudenkränze fest.

Also rief’s von jedem Hügel,
Süßer Trauben voll gereift,
Dort, wo jetzt mit schwerem Flügel
Gifthauch über Trümmern schweift.
Statt der heitern Winzer, Tiger
Würgend in des Mordbrands Glut;
Statt der Kelter, Schert der Sieger;
Statt des Mostes – Christenblut! –

Wein, den jener alte Zecher
Weiht‘ in süßer Lieder Lob,
Eh‘ den Ros‘ umkränzten Becher
Er zur Sängerlippe hob, -
Ungepflückt faul deine Traube,
Die den edlen Saft gekocht.
Wie das edle Volk im Staube,
Neu und blut’ger unterjocht.

Schönes Eiland! Früh besungen
In der heitern Götterzeit. –
Teuern Ruhm hast du errungen,
Den Erynnen nun geweiht.
Wie dich Düfte süß verkündet
Sonst den Schiffer fern im Meer,
Weh’n erstickend, glutentzündet
Brand’ge Dämpfe von dir her.

Chios, chios“ – blut’ges Zeichen
Aufgesteckt am Himmelsrand.
Rächer müssen niedersteigen,
Dir vom Höchsten selbst gesandt.
Was die ganze Welt empöret
Darf es ungestraft gescheh’n? –
All‘ der Jammer ungehöret,
All‘ die Tränen ungesehn? –

Nein,  im Blute rein gewaschen,
Hebt sich Hellas, lang gebeugt,
Wie aus deinen eignen Aschen
Hoch, verjüngt der Phönix steigt.
Ringt entschlossen! Siegumlaubet
Trinkt ihr frei einst Chios Wein,
Und wer treu an euch geglaubet
Stimmt in euren Jubel ein.

Auf! – des matten Kummers Beute
Bleibe länger nicht die Brust. –
Teile mit den Frohen heute
Froh des schönsten Festes Lust.
Hoffe, Herz! – Auch jene streifen
Siegreich ab der Knechtschaft Band,
Und mit Chios Trauben reifen
Helden auch für Griechenland.







___________________________
Textgrundlage: "Zum Besten der unglücklichen Greise,
Witwen und Waisen in Griechenland" , Herausgegeben von
Amalie von Helweg, geb. Freyin von Imhof, Berlin, im Mai 1826
in Commission bei Leopold Wilhelm Krause, Adlerstr. Nr. 6
Sammlung: Varia der HAAB Weimar


Logo 288: Das Weinfest 1843", Düsseldorfer Schule,
Autor: Anonymus,  gemeinfrei
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