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Literatur


04.2

Gedichte

Amalie von Imhoff



An Deutschlands Frauen
1826

Niemals waren Deutschlands Frauen
Rührend schöner anzuschauen,
Als in schlichter Wärtertracht.
Haben nie in Männerherzen
Reine Minne süße Schmerzen
Dauernd heißer angefacht.

Mögt ihr jetzt im Putze prangen,
Jungfrau’n, der das Rot der Wangen
Überbietend grell verschlingt? –
Bunte Tücher, bunte Bänder
Tragend, wie sie fremder Länder
Torheit euch zum Köder bringt?

Denkt der Zeit, nicht lang verschwunden,
Als aus tausend Todeswunden
Blut geliebter Brüder quoll.
Da herbei ihr hilfreich eiltet,
Zwischen Freund und Feind sich teiltet
Pflegend, sorg- und liebevoll.

Ähnlich ganz sind die Geschicke
Jenes Volkes, eurem Blicke
Nur entrückt, am fernen Strand. –
Gegen übermüt’ge Sieger,
Kämpfen Gott vertraute Krieger
Auch für Herd und Vaterland. –

Anders doch, denn diese ringen
Wie aus Riesenwurmes Schlingen,
Todeswund sich schwer empor;
Ihre Festen, wüste Trümmer,
Banger Frauen Angstgewimmer
Hallend in der Streiter Chor.

Kühne Heldenherzen schwellen
Hinter Missolonghis Wällen.
Mit Verderben rings bedroht.
Hunger wütet, gift’ge Wunden,
Pesthauch atmend, unverbunden,
Grauser als der Schlachten Tod.

Weiber, Greise, Kinder klagen,
Wie von wildem Sturm verschlagen,
Nackt auf öder Klippe Strand.
Karg von Gras und Kräutern lebend,
Schwache Hände doch erhebend,
Zum Gebet für’s Vaterland.

Schrecklicher, wenn dort als Beute
Junge Mütter, Kinder, Bräute,
Fühllos der Barbar entführt.
Eins vom Andern roh geschieden,
Wie am Markt die Käufer bieten,
Die kein Jammer menschlich rührt.

Fürstentochter, Königinnen! –
Frauen mit den zarten Sinnen,
Nicht gewohnt an Not und Schmerz,
Könnt ihr dieses Bild ertragen? –
Legt ihr nicht der Menschheit Klagen
Weinend an der Gatten Herz? –

Gebt, zu lösen jene Banden,
Ketten, schwer wie Diamten!
Gebt die Perlenschnur im Kauf,
Die am Schwanenhals sich schmieget. –
Ach, der Perlen größte wieget
Keine Mutterträne auf.

Rührend ist’s, wenn froh entbehrend,
Kleines durch den Sinn verklärend,
Armut sich des Gebens freut:
Von der höhern Not durchdrungen,
Was der Mühe Schweiß errungen
Dem bedrängten Bruder beut.

Rührender, wenn in den Reichen,
Wo die Erdensorgen schweigen,
Mitgefühl die Brust bewegt:
Wenn ein heiliges Erbarmen
Zu dem Scherflein frommer Armen
Das geliebte Kleinod legt.

Auf denn, edle deutsche Frauen,
Bringt mit sanfter Zähren Tauen,
Opfer fremden Unglück dar.
Bruderlieb’ist nicht beschränket,
Wie es enge Selbstsucht denket:
Gottes Welt ist ihr Altar.






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Textgrundlage: "Zum Besten der unglücklichen Greise,
Witwen und Waisen in Griechenland" ,
Herausgegeben von Amalie von Helweg, geb.
Freyin von Imhof, Berlin, im Mai 1826
in Commission bei Leopold Wilhelm Krause, Adlerstr. Nr. 6
Sammlung: Varia der HAAB Weimar


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