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04.2
Gedichte - Thekla Lingen
Erkenntnis
Reiß
dir die Maske vom Gesicht,
Zeig
ihnen, wie die Wunden bluten,
Wo
sie nur eitle Lust vermuten -
Reiß
ab die Maske, zögre nicht!
Wisch
ab die Schminke falscher Scham,
Die
deine bleiche Wange rötet,
Streif
ab die Lüge, eh' sie tötet,
Eh'
sie dein Letztes, Bestes nahm.
Schrei
ihnen gellend in das Ohr,
Wie
du gekämpft, wie du gelitten,
Da
sie um deinen Leib gestritten,
Wie
deine wunde Seele fror.
Zeig
ihnen, wie die Kraft dir brach,
Wie
du geirrt in dunklen Stunden,
Und
wie du deinen Weg gefunden
Durch
Not und Sünde, Schuld und Schmach.
Und
fürchte nur ihr Lachen nicht,
Es
wird ihr Lachen schon vergehen,
Wenn
sie dem Schmerz in's Auge sehen,
Wenn
laut der Wahrheit Stimme spricht.
Und
Wunder müssen dir geschehn -
Wenn
alle falschen Hüllen schwinden,
Dann
musst du, die dich lieben, finden,
Dann
wirst du ihre Stärke sehn.
oben
Erscheinung
Ich
lag und schlief -
Und
siehe! es ging ein Strahl durch die Nacht,
Und
es rief eine Stimme in meinen Traum
Und
rief mich: »Seelchen! Seelchen!«
Da
gingen mir meine Augen auf,
Und
ich sah ihn - doch er entwich und rief
Und
rief mich: »Seelchen! Seelchen!«
Da
ließ ich mein Haus und ging - -
Ich
ging und suchte so lange, so lang',
Bis
die Kraft mir brach - und ich wollte zurück,
Doch
es rief mich: »Seelchen! Seelchen!«
Und
rief und winkte so still mit der Hand,
Dass
ich folgen musste, bis ich ihn fand,
Den
meine Seele vernahm -
Bis
er mich erleuchtet mit seinem Licht,
Bis
ich ihn gesehen von Angesicht,
Den
Guten ...
Er
breitete seinen Arm um mich,
Und
siehe! all meine Schuld verblich,
Mein
Schmerz ward still -
Und
es versank unter seinem Blick
Meine
Menschennot, mein Menschenglück,
Und
all meine Sehnsucht starb ...
oben
Befreiung
Noch
einmal reckt die Schuld ihr drohend Haupt
Und
greift nach mir mit gierigen Rächerhänden,
Genug!
du hast den Frieden mir geraubt,
Doch
meinen Sieg sollst du mir nicht entwenden.
Ich
hab gekostet vom Erkenntnisbaum,
Ich
habe nackt vor meinem Gott gestanden;
Es
sank die Lüge wie ein schwerer Traum,
Die
Seele riss sich los aus ihren Banden.
Genug!
mich treffen deine Blicke nicht,
Geheilt,
vernarbt sind alle alten Wunden
Ich
stehe in der Wahrheit reinem Licht,
Ich
habe mich und meinen Grund gefunden.
oben
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