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Literatur


04.2

Gedichte

Wolkenüberflaggt - Ernst Wilhelm Lotz

 
Zweiter Teil - IV.  Süden



EINE FRANZÖSIN IM SÄCHSISCHEN
SCHWARME
 
Eine Französin im sächsischen Schwarme,
Kühne Frühlinge züngelt ihr Blick,
Seichte Gewässer
Spielen die Finger über den Tisch,
Träumen die Winde von ihrem Gelächter,-
Doch das Café, die Musike und wir und mein flackernder Stift
Kreisen belichtet, verebben, mit Bücklingen fließend,
Und lassen gekräuselt
Im Lächeln Madonna zurück.

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NACHTWACHE. ROT
EIN ATEM RINGT IN UNS
 
Nachtwache. Rot. Ein Atem ringt in uns.
Ein Wind will auf. Voll Frem
de, Heimweh-Schluchzen.
Wir suchen irr. Nach Fleisch, nach Welt. Nach Lachen.
Wir sind umragt von uns.
Der Durchbruch stockt. Die Fesseln. Schwer das Blut.
Versenkt die Brunst, die stöhnt und aufwärts möchte.
 
Wir wollen Glanz und Weite, helle Höhen,
Vom Meer umweht. Und Küsse, tief ins Fleisch
Lechzende Jagd durch flammende Gebirge
Nach Panthern, Affen, Frauen
Und nach Schlaf.
Nach süßen Nächten, die uns schlafen lassen.
Wir sind nach Inseln toll in fremden Welten.
Denn wir sind außer uns: Vor unsrer Enge!
Und bauen immer heiß an unserm Traum.

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MEINE NÄCHTE SIND HEISER
ZERSCHRIEEN
 
Meine Nächte sind heiser zerschrieen.
Eine Wunde, die riß. Ein Mund
Zerschneidet gläsernes Weh.
Zum Fenster flackerte ein Schrei herein
Voll Sommer, Laub und Herz.
Ein Weinen kam. Und starke Arme drohten.
Ein Gram schwebt immer über unsern Nächten.
Wir zerren an den Decken
Und rufen Schlaf. Ein Strom von Blut wellt auf.
Und spült uns hoch, wenn spät der Morgen grünt.

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Textgrundlage: "Wolkenüberflaggt", Gedichte von Ernst Wilhelm Lotz, Kurt Wolff Verlag,
Leipzig, 1917, gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R, Herbst 1916
, als sechsunddreißigster
Band der Bücher „Der jüngste Tag“, ©1916 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig

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