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Literatur


04.2

Gedichte

Wolkenüberflaggt - Ernst Wilhelm Lotz

 
Zweiter Teil - V.  Jugend



AUFBRUCH DER JUGEND
 
Die flammenden Gärten des Sommers, Winde, tief und voll Samen,
Wolken, dunkel gebogen, und Häuser, zerschnitten vom Licht.
Müdigkeiten, die aus verwüsteten Nächten über uns kamen,
Köstlich gepflegte, verwelkten wie Blumen, die man sich bricht.
 
Also zu neuen Tagen erstarkt, wir spannen die Arme,
Unbegreiflichen Lachens erschüttert, wie Kraft, die sich staut,
Wie Truppenkolonnen, unruhig nach Ruf der Alarme,
Wenn hoch und erwartet der Tag überm Osten blaut.
Grell wehen die Fahnen, wir haben uns heftig entschlossen,
Ein Stoß ging durch uns, Not schrie, wir rollen geschwellt,
Wie Sturmflut haben wir uns in die Straßen der Städte ergossen
Und spülen vorüber die Trümmer zerborstener Welt.
 
Wir fegen die Macht und stürzen die Throne der Alten,
Vermoderte Kronen bieten wir lachend zum Kauf,
Wir haben die Türen zu wimmernden Kasematten zerspalten
Und stoßen die Tore verruchter Gefängnisse auf.
 
Nun kommen die Scharen Verbannter, sie strammen die Rücken,
Wir pflanzen Waffen in ihre Hand, die sich fürchterlich krampft,
Von roten Tribünen lodert erzürntes Entzücken,
Und türmt Barrikaden, von glühenden Rufen umdampft.
 
Beglänzt von Morgen, wir sind die verheißnen Erhellten,
Von jungen Messiaskronen das Haupthaar umzackt,
Aus unsern Stirnen springen leuchtende, neue Welten,
Erfüllung und Künftiges, Tage, Sturmüberflaggt!

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Textgrundlage: "Wolkenüberflaggt", Gedichte von Ernst Wilhelm Lotz, Kurt Wolff Verlag,
Leipzig, 1917, gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R, Herbst 1916
, als sechsunddreißigster
Band der Bücher „Der jüngste Tag“, ©1916 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig

Uni-Düsseldorf

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